(aus “Weird Mysteries” Nr. 9, im März 1954 von Gillmor veröffentlicht)
Eine junge und glückliche Ehe endet jäh mit dem Tod der Frau. Sie wird zerschmettert am Fuße eines Felsens entdeckt. Offenbar ein Unfall. Der Mann ist untröstlich und fasst in seiner Trauer einen makabren Entschluss: Er möchte über den Tod hinaus mit seiner Miriam vereint sein und irrt über den nebligen Friedhof.
Da wird er Zeuge eines grotesken Spuks. Aus einem Grab erhebt sich der Leichnam und korrigiert seine Grabinschrift! Der Zombie ergänzt seinen freundlichen Nachruf um ein paar ehrliche Zeilen: „… beraubte seine Freunde… und trieb seine Frau in den Selbstmord…“.
Der Mann hetzt davon, nur um überall das gleiche Bild zu sehen. Alle Toten kratzen mit ihren Knochenfingern die Wahrheit über sich in die Grabsteine. Endlich findet er Miriam. Sie sieht ihn nicht, sie hört ihn nicht, sie beachtet ihn nicht. Denn sie ist tot – und auch sie nimmt eine Berichtigung ihrer Grabinschrift vor…
Ein hübscher verbaler „Cliffhanger“, nicht wahr? Was ist Miriams geheimnisvolle Nachricht? Na los, lesen Sie schon.
Der Mann liest entsetzt: „Ihrem Manne untreu, stürzte sie beim Rendezvous mit ihrem Liebhaber zu Tode“! –
Bewusstlos bricht er überm den Grab zusammen. Zwei Polizisten finden ihn mit blutverkrusteten Fingern. Hat er all das nur fantasiert
(Schlag auf den Kopf)? Hat er selber im Wahn die Inschriften vorgenommen? Ist er ein amoklaufender Paranoiker?
Jedenfalls hat ihm die Ehe nicht gut getan.
Beachtlicher 6-Seiten-Knaller, wie er in der Form unerreicht ist. Erstens darf man staunen über die Prämisse der Geschichte: eine glückliche Ehe, wann hat man das schon mal im Horrorcomic?!
Zweitens besteht der Grusel-Twist weniger im Friedhofsgetümmel, als vielmehr im Zerstören ebenjener Prämisse! Das ist ziemlich brillant.
Die beste Geschichte aus Gillmors 12-bändiger Reihe WEIRD MYSTERIES.
George Suarez hat diese in seinen bahnbrechenden „Tales Too Terrible To Tell“ zwar schon dokumentiert (wie viele andere Werke aus dem verlegerischen Schaffen des Stanley Morse), jedoch nur in Schwarz-Weiß. Ich freue mich deshalb, ein paar farbige Bilder zu zeigen.
Artwork von Schnellzeichner Sal Trapani, der ausnahmsweise mal eine gute Geschichte illustrieren darf. Trapanis schönstes Bild (das erste auf Seite 4, s. oben) ist dabei ein Klau.
Kollege Basil Wolverton zeichnete anderthalb Jahre vorher eines seiner klassischen Titelbilder für das abgebildete Heft aus dem Schwesterverlag Key Publications (s. anbei).
Nachtrag:
Unser Leser J.B. Lee informiert mich über Facebook, dass “Epitaph” die erstaunlich werkgetreue Comicfassung einer Horror-Kurzgeschichte von Guy de Maupassant ist.
Im Englischen heißt die Geschichte “Was It A Dream?”. Können Sie hier im Netz rasch überprüfen. Leider finde ich keinen deutschen Titel oder gar die volle Geschichte.
Die leichenräuberischen Autoren bei Gillmor waren sich nicht zu schade, das Grab eines Dichters zu plündern, der 1893 an Drogen, Syphilis und Wahnsinn ums Leben kam. Na, passt ja prima! Hätte mich auch schwer gewundert, wenn dieser Verlag mal was Eigenes produziert hätte…
Die Lösung unseres Guy de Maupassant-Literaturrätsels reicht unser „Mitarbeiter“ Sebastiano Trebastoni ein:
Die Vorlage von „Epitaph“ heißt auf Deutsch schlicht „Die Tote“ bzw. „La morte“ im Französischen. Hab die Geschichte in einem Horrorsammelband im Regal stehen.
Besten Dank!