STANDARD HORROR

Der Standard-Verlag veröffentlichte 31 Horrorhefte und gehört damit ins solide Mittelfeld der Gruselproduzenten.

Das Studium dieser Hefte führte mich zu einem schmerzlichen Schnellurteil: Standard Comics sind außen hui, innen pfui. Es ist die nackte Schande. Der Verlag beschäftigt hochtalentierte Zeichner, die uninteressanten Rotz illustrieren müssen. Das tut weh.

STANDARD HORROR sieht umwerfend gut aus, ist inhaltlich jedoch meist unter aller Kanone. Etliche Geschichten haben mich beinahe zu Tode gelangweilt (vielleicht hat man bei Standard die Funktion eines Horrorcomics falsch verstanden).

StandLogo2

Hah! Versprechungen, Versprechungen…

Diese Hefte präsentieren ein willkürliches Mischmasch an Themen, als hätten die Autoren alle verfügbaren Handlungs-Klischees der Reihe nach abgehakt: Was mit Musikern, Tänzern, Zirkusartisten, Meerjungfrauen, Rieseninsekten, Sümpfen, Kannibalen, Flüchen, Spielern, Schatzgräbern, und dann auch noch was mit Henkern und abgetrennten Händen (übrigens nicht dieselbe Geschichte).
Des weiteren wimmeln diese Hefte nur so von Kurzgeschichten und Minigeschichten und „Füllern“ von sogar halben Seiten (nie ein gutes Zeichen).

Zudem bekommen die sehenswerten Zeichner oft nur eine Handvoll Seiten zugeteilt: Da haben sie geniale Künstler wie Alex Toth, Nick Cardy, John Celardo, Gene Fawcette, Jack Katz und Ross Andru im Stall, und dann wird das Gros der Produktion doch von den Arbeitspferden Mike Sekowsky, Rocco Mastroserio und George Roussos erledigt.

masks2

Ausnahmsweise guter „Füller“ – Folklore von Fawcette

Wobei im selben Atemzug gesagt werden muss, dass Mastroserio prima mithält und der tintenlastige Roussos neben den Meistern nicht mal so verblasst wie es zu erwarten wäre. Und Sekowsky sieht prächtig wie nie aus! Auch weil er sich oft mit Toth den exzellenten Inker Mike Peppe teilt.

Mastroserio und Sekowsky übrigens kommen rüber vom Ace-Verlag, wo sie zuvor schon Horror produziert haben (Mastroserio war der Inker des noch amateurhaften Lou Cameron). Einerseits ist es eine Freude, sie bei Standard aufblühen zu sehen, andererseits sitzt der Schock über die faden Stories – wie eingangs schon erwähnt – tief.

Mike Sekowsky ist befreundet mit dem Ausnahmetalent Alex Toth, beide inspirieren sich gegenseitig zu Höchstleistungen (FIFTIES HORROR zeigt ihre Geschichten „The Man Who Was Always On Time“, „Date With A Corpse“, “The Pit Of Horror”, und mehr finden sich HIER auf unserer STANDARD HORROR-Spezialseite).

Die beiden sollen sogar eine Wette abgeschlossen haben: Toth zeichnet eine Geschichte im Stil von Sekowsky, und Sekowsky zeichnet eine im Stil von Toth. Welche das sind, haben sie nie verraten. Wir haben aber immerhin einen Verdacht bei „Date With A Corpse“ …

Die Stimmung im Verlag war offenbar verspielt und kollegial, umso beklagenswerter ist es, dass man sich nicht groß um die Leser geschert hat. Es findet sich bei STANDARD HORROR keine redaktionelle Ansprache, keine Leserbriefseite – und auch kein Horror-Host. Also keine Erzählerfigur, die die Handlung der Geschichten in einen Rahmen bettet (und eventuell für ein bisschen Schwung und Farbe sorgen könnte).

DreiCover

Ach, wären meine Haare nicht schon grau gewesen, dann spätestens nach der Lektüre dieser Hefte. Genug gegreint! STANDARD HORROR hat seine Stärken, zum Beispiel die Titelbilder. Die sind nämlich fantastisch und allererste Sahne!

ADVENTURES INTO DARKNESS

OUT OF THE SHADOWS

THE UNSEEN

Diese drei Heftreihen trumpfen auf mit packenden Szenen, die den Betrachter mitten hinein in ein unangenehmes Geschehen zerren: Vampire, Unholde und Teufel schnappen nach ihren Opfern. Große Gruselkunst, das sind mit die besten Motive im Pre-Code-Horror.

Schneller Exkurs: Die durchgängig besten Horrorcover kommen von Harvey, Comic Media, Gilmor und Standard. Erst dahinter sehe ich Atlas und EC. Meine Meinung.

Außerdem mag ich die wunderschönen Schriftzüge der Serien ADVENTURES INTO DARKNESS und THE UNSEEN (das Logo von OUT OF THE SHADOWS ist dagegen zu mechanisch geraten, wie ich finde).

BloodSpeedway1

Splash-Page von Mike Sekowsky

Zum Ende der Ausführungen eine schöne Splash-Page. Ich wähle jedoch nicht den Verlags-Star Alex Toth (ein „artists‘ artist“, über den schon Bücher geschrieben wurden und der bei STANDARD HORROR nur an fünfter Stelle in Sachen Produktivität steht), sondern ich wähle seinen Kumpel: Mike Sekowsky. Der war zwar ein übler Vielzeichner (und hat wahrscheinlich nie selbst getuscht, sondern nur vorgezeichnet), aber er strahlt herrlich wie nie auf seinen 130 Seiten, die er hier abliefert (ja, ich habe sie gezählt).

Achso, eins noch: Wer sich mit STANDARD HORROR befasst, wird irritiert feststellen, dass alle Serien mit der Nummer 5 beginnen. Wo sind die Ausgaben 1 bis 4? Ganz simpel: Die gab es nicht. Es war Verlagspolitik bei Standard, sämtliche Serien mit der Ausgabe Nummer 5 loslaufen zu lassen! Das ist zwar krank und irgendwie nicht statthaft, aber niemand hat sie dran gehindert. Comic-Historiker mutmaßen, dass diese Taktik eine „eingeführte Marke“ vortäuschen sollte. Kioskbesitzer waren womöglich unwillig, einem neuen Heft Regalplatz einzuräumen und legten lieber bewährte Titel aus.

Tja, die Comicindustrie kämpfte schon damals mit allen Tricks und harten Bandagen. Deshalb zierten auch häufig Mumien die Cover der Gruselcomics (Tschuldigung!).

Wer mehr wissen möchte, ist herzlich eingeladen, meine englische Webseite FICTION HOUSE & STANDARD HORROR zu studieren. Auf jeden Fall empfehle ich den Blick auf meine Auswahl von Fiction House-Horrorgeschichten (bunt gemischt), die ich ebendort unter dem Menüpunkt „Stories“ präsentiere.