Horror-Historie: “Tales Of Terror” in YELLOWJACKET (1945/46)

Vor dem Horrorboom ab 1950 gab es einige „Feldversuche“, die recht gut dokumentiert sind. Seit dem Herbst 1948 lag das erste fortlaufend erscheinende Gruselheft an den Kiosken (ACGs ADVENTURES INTO THE UNKNOWN), und schon im Januar 1947 erschien die einmalige Ausgabe von Avons EERIE (erstes komplett konzipiertes Horrorheft). Was aber ist, wenn man weiter in der Zeit zurückreist?

Der britische Horrorexperte Peter Normanton hat darauf hingewiesen, dass es VOR diesen Prototypen und Trendsettern in Charltons kurzlebiger Heftserie YELLOWJACKET schon erste Versuche mit Comicadaptionen nach Edgar Allan Poe gab – sowie eine Reihe von „Terror Tales“.
Ich bin dieser Marginalie nie nachgegangen, bis mich Jim Vadeboncoeur, Jr. drauf aufmerksam machte, dass es dort eine „Old Witch“ VOR der „Old Witch“ von EC gegeben habe. Da war meine Neugier geweckt, und ich habe mal konkret nachgeschaut.

YELLOWJACKET ist ein Superheld in Schwarz-Gelbem Kostüm und benannt nach einer nordamerikanischen Wespenart, die „Yellowjacket“ heißt. Seine Superkraft besteht darin, dass er einen Wespenschwarm kontrollieren kann. Und natürlich tüchtig herumprügelt, mit Wespen allein ist es nicht getan.

Das Heft erscheint bei der „Frank Comunale Publishing Company“ (was ein bisserl nach Geldwaschoperation klingt…), aus der schließlich der langlebige Charlton-Verlag hervorgeht.
YELLOWJACKET präsentiert neben der „leadstory“ um den Helden mit der Wespentaille (Spaß!) Geschichten um „Diana The Huntress“ (die griechische Göttin in irdischem Zweikampf mit Nazis, kein Spaß!), den Abenteuerstrip „King Of The Beasts“, eine Crimestory unter dem Label „Harbor Lights“, eine Kriegsstory von der Pazifikfront mit „The Filipino Kid“ und eben auch ein Feature namens „Tales Of Terror“. Tatsächlich enthalten 8 der 10 Nummern dieses Comichefts einen solchen Beitrag – sie seien hier einmal aufgelistet:

YELLOWJACKET #1

(September 1944) Famous Tales Of Terror – Edgar Allen (sic!) Poe’s “The Black Cat”

YELLOWJACKET #3

(November 1944) Famous Tales Of Terror – Edgar Allans (sic!) Poe’s “The Pit And The Pendulum”

Im dritten Anlauf haben sie dann die Namensschreibweise hinbekommen (und sicherheitshalber den Genetiv durch ein „by“ umgangen):

YELLOWJACKET #4 (Dezember 1944) Famous Tales Of Terror by Edgar Allan Poe: “The Fall Of The House Of Usher!”

Dann pausiert der Titel ein volles Jahr (ist alles schon vorgekommen) und erscheint wieder mit der Nummer 6 (und der korrekten Schreibweise im Genitiv!). Vielleicht hat es deshalb solange gedauert.

YELLOWJACKET #6 (Dezember 1945) Famous Tales Of Terror – Edgar Allan Poe’s “The Tell Tale Heart”

Bitteschön. Geht doch. Damit ist allerdings auch schon Schluss mit Comic-Literaturadaptionen, denn die nächste Ausgabe von YELLOWJACKET präsentiert eine Welturaufführung: Die erste veritable Horrorkurzgeschichte mit einem „host“.
Und der ist eine alte Hexe, die der Old Witch von ECs HAUNT OF FEAR verdammt ähnlich sieht!
Sie bedient sich sogar des ironischen Duktus, der damit nicht mehr als originäre Erfindung der EC-Macher Gaines und Feldstein gelten darf. Und wieder löst sich ein EC-Mythos auf wie ein Mordopfer im Säurebad, harhar.

YELLOWJACKET #7 (Januar 1946) Tales Of Terror – “The Avenging Hand” (Old Witch) / Artwork: Alan Mandel

Eine reinrassige Horrorgeschichte, die wir in einer Weltpremiere als FIFTIES HORROR-Vollscan präsentieren.

Man verzeihe den kruden Zeichenstil, aber so waren die 40er!
Grafisch interessant (natürlich von Ausnahmen abgesehen!) werden erst die 50er Jahre.
Wie gebetsmühlenartig zu wiederholen ich nicht müde werde.

Diese Hexe hat schon alles drauf, dessen sich EC vier Jahr später bedienen wird.
Sie lacht ihr Hexenlachen, sie verabreicht uns eine teuflische Portion aus ihrem Hexenkessel, sie verspricht uns einen „unruhigen Schlummer“ und verabschiedet uns mit wohligem Grusel.
Dieses Muster ist kein einmaliges Experiment, es folgen drei weitere Folgen.

YELLOWJACKET #8 (Februar 1946) Tales Of Terror – “The Third Wish” (Old Witch) / Artwork: Alan Mandel

Der Teufel macht einem Ehepaar ein Geschenk mit einem Haken. Drei Wünsche werden erfüllt, aber jeder zieht den Tod nach sich. Der Wunsch nach Geld resultiert zum Beispiel darin, dass die Tochter tödlich verunglückt und deshalb eine Versicherung ausbezahlt wird.

Diese Geschichte wird – leicht variiert – wieder aufgelegt in Standard’s OUT OF THE SHADOWS Nr. 11 (Januar 1954)! Heißt dort allerdings „Coin Of Evil“. Ist jedoch exakt dieselbe Geschichte. Aha, aha. Hier haben sich offenbar noch weitere Comicmacher „inspirieren“ lassen.

Und soeben entdecke ich eine weitere Variante: In Harveys BLACK CAT MYSTERY Nr. 34 (April 1952) gestaltet Rudy Palais diesen Stoff in „Hand Of The Yogi“ auf seine eigene, reißerische Art und Weise.

YELLOWJACKET #9 (April 1946) Tales Of Terror – (ohne Titel) (Old Witch) / Artwork: Alan Mandel

Vier Fremde in Tibet suchen einen Tempelschatz und kommen der Reihe nach um, als sie versuchen den Schatz zu bergen. Den letzen Abenteurer erschlägt das umstürzende Götzenidol.
Auch solche Geschichten gab es später wieder. Dieser Handlungsplot ist mir allein bei Studium der Ace-Horrorhefte gefühlte drei Mal (mindestens!) untergekommen.

YELLOWJACKET #10 (Juni 1946) Tales Of Terror – “Gold! Gold! Gold!” (Old Witch) / Artwork: ???

Grausame Geschichte um einen Farmer, der in der wackligen Scheune einen Goldschatz versteckt. Seine beiden (erwachsenen) Kinder schlägt er, am Ende sogar zu Tode. Der Farmer stirbt in der kollabierenden Scheune.

Mit der Nummer 11 wandelt sich YELLOWJACKET zum humorigen Funny-Titel JACK IN THE BOX COMICS und stößt sein Feature „Tales Of Terror“ ab (obwohl das Cover dieser ersten Ausgabe – siehe nebenstehend – eigentlich auch purer Horror ist!).

Unser Fazit:

Diese vier ersten Gruselstories bilden eine beachtliche Miniserie und stecken den Kosmos der Horrorcomics (wie er vier Jahre später entsteht) schon erstaunlich gut ab.
Mörder, die von Visionen ihrer Opfer verfolgt werden.
Die Gewährung dreier Wünsche, die immer ins Verderben führen.
Gierige Abenteurer, die auf keine Warnung hören und mittels höherer Gewalt entleibt werden.
Gewaltlüsterne Psychopathen, die sinnlosen Terror verbreiten.
Letzteres Muster streift den Grenzbereich zum Crime-Genre und kommt teilweise ohne übernatürliches Element aus. Das alles kenne ich aus den Heften der 50er Jahre.

Hut ab, YELLOWJACKET!

(Wer genauere Studien treiben möchte: Sämtliche Ausgaben von YELLOWJACKET liegen auf dem Digital Comic Museum vor – und zwar HIER.)