ECs „SHOCK Supenstories“

Die Heftreihe „SHOCK Suspenstories“ aus dem EC-Verlag erschien vom Februar 1952 bis Dezember 1954, brachte es auf 18 Ausgaben und zählt NICHT zum Horrorkanon, da es sich um „Hybridhefte“ handelt. Das bedeutet, in jeder Ausgabe fanden sich auch Stories aus den Bereichen Science-Fiction, Crime und eben „Shock“.

Dies war das Konzept dieser Serie: eine Mixtur aus allen populären Genres.
Die „SHOCK“-Spannungsgeschichten (Supenstories) waren eine echte EC-Erfindung. Sie handelten kritisch Missstände der amerikanischen Gesellschaft ab, wurden hausintern jedoch (recht zynisch, wie ich finde) als „preachies“ bezeichnet. Ein Neologismus, hergeleitet aus dem Verb „to preach“ (predigen). Im Deutschen ist der abfällige Begriff für „Predigt“ ja „Sermon“. Soweit dieser Exkurs.

Was ist nun mit dem Horror in der Comicserie SHOCK? Kann er mithalten im Konzert der großen Schwestern TALES FROM THE CRYPT, VAULT OF HORROR und HAUNT OF FEAR? Auf jeden Fall. Einige der feinsten (und gemeinsten) Geschichten des Genres überhaupt finden sich in diesen Heften.

„Sugar ’n Spice“: In der EC-Version von „Hänsel und Gretel“ behält die Hexe die Oberhand…

Wobei man vorausschicken muss, dass das Auseinander-Dividieren von Crime und Horror bei EC nicht immer sauber hinzukriegen ist. Diese Problematik verdient einmal einen eigenen Essay. Beschränken wir uns für heute damit, nur diese Geschichten zu listen, die explizit als „HORROR Suspenstory“ angekündigt wurden (SHOCK Nr. 1 bis 10) oder von mir eindeutig als solche bewertet werden.

Erstellen wir erst einmal einen „SHOCK“-Log:

„The Neat Job!“ (Frau zerstückelt Mann), Zeichner: Jack Kamen (SHOCK Nr. 1)

„The Rug!“ (Jäger wird zu Bettvorleger verarbeitet), Zeichner: Graham Ingels (SHOCK Nr. 1)

„Halloween!“ (Waisenkinder töten Peiniger), Zeichner: Graham Ingels (SHOCK Nr. 2)

„Just Desserts!“ (Mann enthauptet Abendgesellschaft), Zeichner: Jack Kamen (SHOCK Nr. 3)

„Stumped!“ (Jäger amputiert sich eigenes Bein), Zeichner: Jack Davis (SHOCK Nr. 3)

„Split Second!“ (Holzfäller zerhackt Kollegen), Zeichner: Jack Kamen (SHOCK Nr. 4)

„Uppercut!“ (Mann wird lebendig seziert), Zeichner: Jack Davis (SHOCK Nr. 4)

„Carrion Death!“: Die Geier beginnen ihr unappetitliches Mahl…

„Well-Traveled!“ (Mann zerstückelt Frau), Zeichner: Jack Kamen (SHOCK Nr. 5)

„Cold Cuts!“ (Mann verspeist Frau), Zeichner: Jack Davis (SHOCK Nr. 5)

„Sugar’n Spice’n…“ (Hexe verbrennt Kinder), Zeichner: Graham Ingels (SHOCK Nr. 6)

„Beauty And The Beach!“ (Frau verbrennt unter Kunstlicht), Zeichner: Jack Kamen (SHOCK Nr. 7)

„The Small Assassin!“ (Baby ermordet Mutter), Zeichner: George Evans (SHOCK Nr. 7)

„Piecemeal“ (Hai frisst Ehebrecher), Zeichner: Jack Kamen (SHOCK Nr. 8 )

„The October Game“ (Vater zerstückelt Tochter), Zeichner: Jack Kamen (SHOCK Nr. 9)

„Carrion Death!“ (Geier fressen Gangster), Zeichner: Reed Crandall (SHOCK Nr. 9)

„Sweetie-Pie“ (Menschenfresser jagt Unfallopfer), Zeichner: Reed Crandall (SHOCK Nr. 10)

„The Orphan“ (Tochter schickt Stiefeltern ins Grab), Zeichner: Jack Kamen (SHOCK Nr. 14)

Der SHOCK-Horror endet mit der Heftnummer 10. In den letzten acht Ausgaben verzichtete die EC-Redaktion sowohl auf die Etikettierung als auch auf die inhaltliche Ausrichtung auf Grusel.
Die Gründe sind nicht bekannt, vielleicht ging den Autoren im Herbst 1953 die „Horrorpuste“ aus. Oder sie mussten mit dieser die drei reinen Gruseltitel beleben…

„The Orphan“ aus Nr. 14 ist eine derb-unkorrekte Crime-Geschichte, die sogar vor dem Untersuchungsausschuss 1954 diskutiert wurde. Die gehört hier einfach mal erwähnt. Meiner Meinung nach gehören die SHOCK-Ausgaben Nr. 1, 3, 4, 5, 7 und vor allem Nummer 9 zur Horrorliteratur.

„Well-Traveled!“: Der Hobby-Eisenbahner hat seine Frau als Stückgut auf die Bahn gebracht…

SHOCK SUSPENSTORIES Nr. 9 bietet zwei der wuchtigsten Geschichten, die überhaupt jemals veröffentlicht wurden.
„The October Game“ schildert einen unfassbar grausigen Kindermord und verstört den Leser mit kryptisch-lakonischen Sätzen (adaptiert nach Ray Bradbury).
Der vielverschmähte Jack Kamen übrigens liefert nicht nur hier, sondern in der kompletten Reihe SHOCK seine besten Werke ab.
„Carrion Death“ ist ein grafisch packender Thriller aus der Zeichenfeder Reed Crandalls. Die Grundkonstellation ist simpel und beängstigend. An eine Leiche gekettet, schleppt sich ein Verbrecher durch die sengende Wüste. Als Geier herabstoßen, erfasst den Mann eine letzte trügerische Hoffnung. Das Ende ist nichts weniger als schockierend, die letzten Worte hallen unvergesslich nach: „For I am dead…“. Denn ich bin tot.

Die EC-Reihe SHOCK SUSPENSTORIES eignet sich als gutes Studienobjekt für EC-Neulinge.
SHOCK erscheint in einer Phase, in der die Zeichner auf ihrem Höhepunkt arbeiten. Zudem beginnt SHOCK als „EC-Wundertüte“ mit bunt gemischten Genres und entwickelt sich in den späteren Ausgaben zu einem Heft mit eigenwilliger, drastischer und düsterer Spannungsliteratur.

Deshalb breche ich bei FIFTIES HORROR eine Lanze für diesen Comic, der in EC-Aufarbeitungen sicherlich zu kurz kommt. Über den Hype um MAD, den Crypt Keeper, Kurtzmans Kriegstitel und die intelligente Science Fiction vergisst man regelmäßig die beiden „Suspense“-Reihen „SHOCK“ und „CRIME“.

Zudem bin ich ein Riesenfan des „SHOCK“-Logos.
Diese „elektrisierte“ Schrift ist genial und passt wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge.

Siehe Titelbild von Ausgabe Nr. 1, auf welchem der Schriftzug SHOCK den Stromfluss des elektrischen Stuhls symbolisiert.