PREMIER HORROR

Premier Magazines ist einer jener obskuren Kleinverlage seiner Zeit, die einen Gesamtausstoß von 42 Heften produzierten (darunter 7 Horrorhefte, von denen ganze 2 als Pre-Code-Werke gelten).

Wie bitte? Zwei lausige Heftchen? Zum dümmstmöglichen Zeitpunkt (Jahresausklang 1954) veröffentlicht? Ja, das haben sie, doch die beiden haben es in sich!

HORROR FROM THE TOMB Nr. 1 vom September 1954 bietet eine gruselige Werwolf-Geschichte, einen Science-Thriller um einen halbkünstlichen Mann, eine rohe Shockgeschichte um Menschen, die bis auf die Knochen ausgekocht werden sowie ein ironisches Märchen.

Premiers Premiere: Fetter Schriftzug, gelungenes Motiv, Host anwesend, Künstler unbekannt

Zwei davon finden Sie auf unserer Lesewiese: „The Absent-Minded Professor“ (HIER) sowie „The Bone-Man“ (HIER).

Dieser Comic setzt offensichtlich auf dem Erfolg von EC auf. Nicht nur klingt der Titel HORROR FROM THE TOMB als könne er ein Entertaining Comic sein, auch leistet man sich einen „host“, den „Keeper of the Graveyard“, der die Geschichten anmoderiert.
Die Schlussgeschichte schließlich heißt „Grandma Gruesomes Dead Time Story“ und kopiert offensichtlich die Old Witch mit ihren „Grim Fairy Tales“.

Wahrscheinlich gab es Beschwerden, denn der Titel wird umbenannt, und Premiers zweiter Versuch nennt sich MYSTERIOUS STORIES Nr. 2, ist zwar durchgehend eine schlimme Bleiwüste (kaum noch Platz für Bilder), besticht allerdings durch unfreiwillig komische Elemente (krudes Artwork, alberne Dialoge, miese Kompositionen) und hanebüchene Handlungsstränge.

Eine wortwörtlich trockene Sahara-Geschichte (in der zwei Männer einen zweimonatigen URLAUB verbringen und auf Eingeborene treffen, die in Phrasen wie „Ticas Juplir Woplac“ reden!) wird abgelöst von einem hochkomischen Musikerschicksal (siehe Besprechung von „Fate Plays The Violin“ HIER).
Es folgen noch ein eiskalter EC-Klau (Nacherzählung einer Hexengeschichte von Jack Davis aus VAULT OF HORROR Nr. 36 vom April 1954) und eine sehr cartoonhaft gezeichnete Schneewittchen-Parodie.

Die ist jedoch ganz erfrischend: Schneewittchen und die böse Königin streiten darum, wer die HÄSSLICHSTE im ganzen Lande ist, nämlich Schneewittchen (und wie!). Die Königin überredet sie (mit viel Geld übrigens) eine Gesichtscreme auszuprobieren, woraufhin Schneewittchen bildschön wird. Dieser Fluch kann nur durch den Kuss eines Prinzen gebrochen werden. Ein Mr. Prince von auswärts findet sich, Schneewittchen erhält ihre Hässlichkeit zurück – und der vermeintliche Prinz verwandelt sich zugleich in einen achten Zwerg. Und muss fortan wie die anderen sieben für Schneewittchen schuften.

Premiers zweiter Versuch: Zwar noch pre-code, schaut aber schön bös nach post-code aus

Zu Beginn des Jahres 1955 ist der Comics Code in Kraft, und Premier Magazines leisten sich den Luxus, noch fünf Hefte auf den Markt zu bringen. Wo andere schon eingepackt haben, startet Premier gerade erst durch. Timing war sicher nicht ihr Ding…

Diese fünf „code-approved“ Hefte haben bis heute niemanden interessiert, aber ich habe sie von Jim Vadeboncoeur, Jr. bekommen und gescannt.
Und ich darf sagen: Es ist wirklich kaum der Rede wert!

Hingewiesen sei lediglich auf zwei hübsche Stories, die jedoch beide nicht „spektakulär“ genug sind, um auf FIFTIES HORROR veröffentlich zu werden.

In den MYSTERIOUS STORIES Nr. 4 findet sich mit “Magic Touch!” eine mehr als solide Geschichte, solche hat Jack Davis für EC illustriert. Hier hat der Zensor geschlafen.
Hinter den harmlosen Bildern steckt eine pointierte, temporeiche und dunkle Geschichte um Macht und Dominanz, wie sie im Pre-Code-Horror üblich war. Grafisch jedoch langweilig, deshalb verzichten wir auf Präsentation.

MYSTERIOUS STORIES Nr. 6 präsentiert mit „Strangers In The Night“ eine interessante Comic-im-Comic-Fingerübung. Ein Zeichner trifft auf die Figuren, die er soeben bearbeitet und wird von diesen angefleht, die Geschichte anders enden zu lassen als im Skript vorgesehen. Er geht auf die Forderung ein (lässt sie nicht vom Marsmenschen kidnappen, sondern spendiert ihnen ein Happy End).
Frage mich gerade, ob das eine subtile Ironie auf die Forderungen der Zensur ist. Allerdings so subtil, dass ich es beim Lesen echt nicht mitbekommen habe

In der letzten Ausgabe (MYSTERIOUS STORIES Nr. 7) machen sich die Autoren über die Zensur lustig. Die Geschichte „The Pipes Of Pan“ strotzt vor sexueller Anspielungen. Das Mädchen Alice entdeckt ein Wunderland außerhalb der Mauern ihres Hauses, in welchem sie von der Gouvernante Miss Stone gefangen gehalten wird. Der Hirtengott Pan zeigt ihr schöne Dinge: Musik, Tanz und diese wundersamen Flöten. Als Pan den Garten seiner Rosen beraubt (defloriert), erlangt Alice ihre Freiheit. Tatütata!

Hauptkünstler für Premier ist der bedauernswerte Hy Fleishman, der schon Horrorstories für die windigen Verlage Gilmor, Master und Story illustriert hat. Trash scheint ihn magisch anzuziehen. Nachdem Premier zum Jahresanfang 1956 dichtmacht, gastiert Fleishman noch ein Jahr bei Atlas, dann verschwindet er von der Bildfläche.

Stammzeichner bei Premier ist Hy Fleishman (hier ein Beispiel aus POLICE AGAINST CRIME)

Sein dickstrichiger, irgendwie „speckig“ aussehender Stil passt meiner Meinung nach auf kein Genre (sein Polizei- und Indianer-Geschichten für Premier sehen nur noch merkwürdig aus). Satiren im „Funny“-Look könnten sein Ding sein. Hat er tatsächlich auch gemacht, mit ebenso unbefriedigendem Ergebnis. Naja, Hy Fleishman gehört eben zu den vielen Randfiguren der frühen 50er Jahre, denen der Erfolg im Medium Comic versagt blieb.

Chefredakteur bei Premier ist Harry Harrison, der schon die MYSTERIOUS ADVENTURES bei Story unter sich hatte, als Partner mit Wally Wood zeichnete und selber einige Horrorwerke (aber keine besonders guten) auf dem Kerbholz hat.

Premier-Hefte sind überraschend schlecht gedruckt. Ich hab es erst selber kaum geglaubt und dachte, mein Scanner hat Fehlfunktionen. Beim Vergrößern dieser Seiten (was beim Scannen und Hochladen ja passiert) verstärken sich diese Druckfehler und wirken echt übel.
Zudem arbeitete man bei Premier mit einem Handlettering, das bis zur Grenze der Miniatur vorstößt. Das ist der Leserlichkeit auch nicht eben zuträglich.

Das war es auch schon mit PREMIER HORROR. Ein kalter Aufguss. Sicherlich der kleinste Verlag, den ich in meiner Horrorforschung behandeln werde. Die drei guten Geschichten haben wir auf der LESEWIESE erfasst.
Aber FIFTIES HORROR wäre nicht FIFTIES HORROR, wenn da nicht noch was käme!

Das Cover parodiert Marilyn Monroe und ihren Baseball-Ehemann Joe DiMaggio

Als Bonbon zum Schluss möchte ich ein besonderes Fundstück präsentieren.
Eine gelungene Horrorparodie!
Da gab es einige Versuche, die alle mehr zum Gähnen reizen – doch das reißerisch betitelte „Buried Alive!“ hat was.

Dieser Vollscan stammt aus Premiers „MAD“-Klon „NUTS!“ (Nummer 3 vom Juli 1954) und heißt im Untertitel „Dig That Crazy Body!“ – ein zeittypischer Witz mit dem Jargon der 50er Jahre. Zeichner ist (laut Jim Vadeboncoeur, Jr.) der minderbegabte Bill Fraccio, der vier Jahre zuvor (shocking fact coming up) mit der Geschichte „The Man Who Was Death“ im allerersten EC-Horrorheft vertreten war (CRYPT OF TERROR Nr. 17).
Bill Fraccio bei EC? O ja, aber auch nur einmal.

Doch zurück zu „Buried Alive!“.
Äußerst schwarzhumorig wird hier ein vermögender Mann auf dem Sterbebett von seinen Erbschleichern kurzerhand noch lebend eingesargt. Sodann spielt man komisch auf der Klaviatur der Klaustrophobie, schickt eine sexy Vampirin auf Hausbesuch und lässt den Toten endlich noch als Zombie seinen Unfug treiben.

Viel Spaß mit diesem Fundstück (und achten Sie auf den Spiegel-Gag auf Seite 4 unten – ich schätze, da hat Groucho Marx mit seiner Paradenummer aus „Duck Soup“ Pate gestanden).