EC Comics

Das Logo von EC

Das Kürzel „EC“ steht sowohl für „Educational Comics“ als auch für „Entertaining Comics“. Gegründet 1945 als „Educational Comics“ von Maxwell Charles Gaines, veröffentlicht der Verlag zunächst nur illustrierte Bibelgeschichten. Die PICTURE STORIES FROM THE BIBLE sind der Grundstein von EC.
In den Jahren 1946-47 folgen „funnies“, das heißt lustige Kindercomics mit sprechenden Tieren wie Dunny The Flying Donkey, Smoky The Snake, Korky Kangroo oder Freddy Firefly. Die Serien heißen TINY TOT COMICS, LAND OF THE LOST, ANIMAL FABLES, DANDY sowie FAT AND SLAT. Diese Ausrichtung bekommt das Label “Entertaining Comics”, was fortan beibehalten wird.

Im Sommer 1947 wird Maxwell Gaines auf seinem Sommersitz am Lake Placid Opfer eines Bootsunglücks. Sein Boot wird von einem anderen in den Grund gerammt. Gaines stirbt und hinterlässt neben einer Tochter auch einen Sohn, William Maxwell Gaines.
Obwohl die Firmenanwälte von der Fortführung des unwägbaren Comicbusiness abraten, bestimmt Witwe Gaines, dass der 25-jährige William sein Glück im Geschäft versuchen soll. Der verstorbene Vater war sich sicher, dass sein Zögling „ es nie zu was bringen würde“, war doch Gaines Junior bislang nicht durch Tüchtigkeit aufgefallen.

Bill Gaines in reiferen Jahren

„Bill“, wie Sohn Gaines von allen genannt wird, bezieht die Büros an der New Yorker Lafayette Street 225 und beginnt, ab Frühjahr 1948 das Programm munter umzukrempeln.
Er geht mit dem Zeitgeist und setzt auf Western, Krimis und Liebesromanzen. Er gewinnt neue Zeichner mit expressiv-realistischem Stil (Johnny Craig, Graham Ingels, Wallace Wood) und einen Redakteur, der gemeinsam mit Gaines zum Motor einer neuen Bewegung wird: Albert B. Feldstein, genannt „Al“.

Der große Wurf gelingt dem Kreativteam mit der erneuten Programmumstellung auf den sogenannten „New Trend“ (etwa ab Frühjahr 1950). Gaines und Feldstein verkünden einen radikalen Anspruch:
Sie wollen die Besten sein.
Dies verbreiten sie auch nahezu gebetsmühlenartig in Anzeigen und auf den Leserbriefseiten ihrer Comics. Das Ziel von EC Comics sei intelligente Unterhaltung, professionell geschrieben und künstlerisch umgesetzt von den ideenreichsten Zeichnern ihrer Generation. Und dies gelingt.

Der Erfolg kommt aber auch mit einer cleveren Idee:
Als einer der ersten Verlage bringt EC Gruselcomics heraus und stößt in eine gewaltige Marktnische.

Sie waren jedoch nicht DIE ersten. Comic-Historiker weisen darauf hin, dass im Herbst 1948 schon ein Gruselheft namens ADVENTURES INTO THE UNKNOWN existiert, für das Feldstein sogar eine Geschichte gezeichnet hat (Ausgabe Nr. 3 vom Februar 1949). Die Serie aus dem Verlag B&I Publishing (später American Comics Group) läuft erstaunliche 19 Jahre lang, beschränkt sich jedoch mehr auf traditionelle und unblutige Geistergeschichten. EC geht das Thema Grusel professioneller, breiter gestreut und offensiver an.

„Al und Bill“, Feldstein und Gaines, führen über vier Jahre hinweg eine äußerst fruchtbare Arbeitsbeziehung. Beide motivieren sich gegenseitig zu Höchstleistungen. Gaines verbringt angeblich schlaflose Nächte, um sich Ideen für Geschichten auszudenken. Am Morgen präsentiert er Feldstein seine Gedankenblitze, beide schrauben daran herum, und ab Mittag setzt sich Feldstein an ein Script.
So entsteht jeden Tag ein fertiges „storyboard“, das dem dafür ausgewählten Zeichner übergeben wird. Dieses Pensum müssen die beiden auch schaffen, denn sie bestücken sämtliche Science-Fiction-, Grusel- und Thrillercomics. Insgesamt schreiben sie über 450 Stories.

ECs „dynamic duo“: Gaines und Feldstein

Der Clou beim „New Trend“ von EC liegt darin, dass alle Geschichten am Ende einen sogenannten „twist“ präsentieren – eine Überraschung, eine Pointe, eine unerwartete Wendung, die die vorausgegangene Handlung konterkariert. Nicht der dunkle Graf ist der Vampir, sondern sein schönes Töchterlein. Ein Mörder begeht ein perfektes Verbrechen, dummerweise vor Dutzenden Zeugen. Ein mörderisches Alien greift an, wird vernichtet, hinterlässt jedoch tausende Eier. Eine aufgebrachte Menge lyncht einen Gefangenen, dabei ist der Sheriff der Täter – usw.

Natürlich bedienen sich Feldstein und Gaines tüchtig bei filmischen und literarischen Vorlagen. Zu erwähnen ist ein Sonderfall: Nachdem Al und Bill aus zwei Kurzgeschichten des US-Schriftstellers Ray Bradbury eine neue Science Fiction-Story („Home To Stay“) konstruiert haben, flattert in der Redaktion ein Brief von Bradbury persönlich auf den Tisch. Man habe wohl vergessen, ihm seine Tantiemen zu überweisen. EC reagiert geistesgegenwärtig, fragt den Autor, ob man nicht in Zukunft noch mehr von seinen Geschichten verarbeiten dürfe – und proklamiert dreist eine (ab dann tatsächliche) Zusammenarbeit mit Bradbury. Über zwei Dutzend solcher Comics („Adapted from a story by Ray Bradbury“) zieren anschließend die Hefte von EC.

Das typische EC-Heft setzt sich aus vier Kurzgeschichten zusammen. Einer mit 8 Seiten (Titelgeschichte), zweien mit 7 Seiten und einer mit 6 Seiten. Jede Geschichte wird von einem anderen Zeichner illustriert. Die Leser werden angehalten, über die Geschichten abzustimmen und ihre Meinung in Form von Leserbriefen einzubringen. Oft ergeben sich Kontroversen auf den Leserbriefseiten (1 pro Heft). Der empörte Brief einer Mutter, die sich im Sommer 1952 in WEIRD FANTASY Nr. 13 über den

„Dreck, der die Gehirne meiner Kinder verseucht“

Dieses Cover landete vor dem Untersuchungsausschuss

aufregt, ist jedoch von Gaines persönlich gefingert. Er will damit seine Leser aus der Reserve locken und der mitlesenden amerikanischen Öffentlichkeit vorführen, dass EC-Leser keine jugendlichen Deppen, sondern eben gerade erwachsene, mündige Bürger sind.

Damit schlüpft er kurz in die Rolle des „advocatus diaboli“, wie sie ihm sonst nicht vergönnt ist. Denn der Verlag steht (wie viele andere auch) in der öffentlichen Diskussion. Der populäre Buchautor Frederic Wertham (eigentl. Friedrich Wertheimer, ein aus München emigrierter Psychiater) behauptet einen Zusammenhang von Comic-Konsum und Verbrechen. Jugendliche gerieten durch die Lektüre von Bildergeschichten auf die schiefe Bahn. Futter liefern ihm nicht nur (aus dem Zusammenhang gerissene) blutige Bilder aus EC-Comics, sondern auch marktschreierische Publikationen der Konkurrenz. EC nämlich tritt eine Lawine los, alle Titel werden dutzendfach von anderen Herausgebern nachgeahmt, und zwar qualitativ schlechter. In den frühen 50er Jahren kursiert an amerikanischen Kiosken die unvorstellbare Summe von 700 Comicserien. 100 davon zählen zum boomenden Gruselgenre. Ein optischer „overkill“, ein penetrantes Überangebot, das zu Gegenwehr reizt.

Maurice Horn weist in seinem Standardwerk „The World Encyclopedia Of Comics“ darauf hin, wie heikel er es findet, dass EC-Comics an Kinder verkauft werden:

„Kein Wunder, dass die Zensur auf den Plan tritt“.

1954 kommt es zum Showdown. Wertham veröffentlicht seinen Bestseller „Seduction Of The Innocent“ (Untertitel: „The influence of comic books on today’s youth“), die Zeitungsmedien (darunter federführend das „Time“-Magazine) nehmen das Thema dankbar auf. Es kommt zu Senatsanhörungen und staatlichen Untersuchungsausschüssen zum Thema „Comics und Gewalt“. Gaines selber landet als „großer Fisch“ im April 1954 vor dem Ausschuss und versucht seine Sache zu verteidigen, doch es hat keinen Sinn mehr. Die Vorführung zweier gewalttätiger EC-Cover (siehe anbei) diskreditiert jeden Kunstgedanken. Gaines steht unvermittelt im medialen Feuer. Das hat man so nicht kommen sehen. Feldstein räumt ein: „Wir hatten einfach Spaß an der Sache. Wir haben das alles nicht ernst genommen“.

Die Öffentlichkeit schon. Ehe es zu Zwangsmaßnahmen von staatlicher Seite kommt, reagieren die Comicverleger und gründen eine radikale Selbstzensur. Die CCA, die Comics Code Authority, wacht nun über die Einhaltung folgender Regeln: Keine Darstellung von Verbrechen und Gewalt, keine Verwendung der Begriffe „Horror“ oder „Terror“, keine Fluchworte, keine Nacktheit, keine sonstigen Anrüchigkeiten.

Das Genre der Grusel- und Thrillercomics ist tot. Wer die Zensur durchläuft, bekommt ein Siegel aufs Cover gedruckt. Ohne das Siegel besteht die Gefahr, am Kiosk nicht mehr ausgelegt zu werden. EC weigert sich noch einige Monate, dann knicken sie unter dem finanziellen Verlust ein (siehe „New Direction“, unten).

Die Entertaining Comics haben jedoch zunächst weiterhin Erfolg – wie auch eine treue Gefolgschaft bestätigt. Noch in der Schlussphase organisiert der Verlag die Fangemeinde. Dem sogenannten „Fan-Addict-Club“ treten mehrere hundert Personen bei. „Fan-Addict“ ist übrigens ein typisches EC-Wortspiel. Gebildet aus „Fanatic“, also Fan, sowie dem „Addict“, dem Süchtigen. Diese Art von Wortwitz zieht sich durch sämtliche Gruselhefte und verleiht allem Horror und Entsetzen ein ironisches Flair.

Schlussbetrachtung

Das Faszinosum der EC Comics liegt zum einen darin, dass in diesen (heute beinahe 60 Jahre alten) Werken Themen vor ihrer Zeit angesprochen werden. Siehe dazu Diskussion der einzelnen Serien unten. Zum anderen halte man sich vor Augen, dass diese Comics 10-Cent-Billigheftchen für Jugendliche sind, die keinerlei Kunstanspruch verfolgen. Dennoch gelingen der Redakteurs- und Künstlercrew einige Meilensteine des bildhaften Erzählens.

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Die vier Phasen von EC

“Pre-Trend” (Frühjahr 1948 – Sommer 1950)

Die Bezeichnung „Pre-Trend“ ist sperrig und meint einfach alles, was vor dem „New Trend“ erschienen ist. Also eine Begriffsfindung im Nachhinein. Darunter fallen folgende Comicserien:

GUNFIGHTER (10 Ausgaben)
SADDLE JUSTICE (6 Ausgaben) , dann umbenannt in SADDLE ROMANCES (3 Ausgaben)
CRIME PATROL (10 Ausgaben)
WAR AGAINST CRIME (11 Ausgaben)
MOON GIRL (6 Ausgaben), dann umbenannt in MOON GIRL FIGHTS CRIME (2 Ausgaben)
A MOON, A GIRL, ROMANCE… (4 Ausgaben)
MODERN LOVE (8 Ausgaben)

Die Heftzählung der nachfolgenden New Trend-Comics folgt in manchen Fällen der Schlussnummer eines bisher existierenden Pre-Trend-Heftes. Beispiel: WAR AGAINST CRIME wird mit Nummer 12 zu VAULT OF HORROR. WEIRD SCIENCE bekommt die Nummerierung von SADDLE ROMANCES etc. Das hat finanzielle Gründe. Die Verleger sparen an allen Ecken und Enden. Da die Neuanmeldung eines Titels Geld kostet (das hat mit dem Postvertriebssystem der Vereinigten Staaten zu tun), versucht man, Titel unter anderen Titeln fortzuführen. Dies treibt oft so kuriose Blüten (aus einer Romanze wird ein Horrorheft), dass die Post manchmal kassieren kommt, einen „Neustart“ verfügt und sich die Heftnummerierung deshalb abermals ändert! Aus diesem Grund wird in diesem Artikel die bloße Zahl der erschienenen Ausgaben erwähnt.

“New Trend” (April 1950 – Februar 1955)

Die goldene Zeit der EC Comics. 1950 wird noch mit Erzählformen und Zeichenstilen experimentiert, dann stehen Mannschaft und Konzept. In den Jahren 1951, 1952 und 1953 läuft der Laden von Bill Gaines zu konkurrenzloser Hochform auf. Folgende Titel werden aufgelegt.

THE VAULT OF HORROR (29 Ausgaben)
TALES FROM THE CRYPT (30 Ausgaben, die ersten drei heißen noch THE CRYPT OF TERROR)
THE HAUNT OF FEAR (28 Ausgaben)
WEIRD SCIENCE (22 Ausgaben)
WEIRD FANTASY (22 Ausgaben)
TWO-FISTED TALES (24 Ausgaben)
FRONTLINE COMBAT (15 Ausgaben)
CRIME SUSPENSTORIES (27 Ausgaben)
SHOCK SUSPENSTORIES (18 Ausgaben)
MAD (23 Ausgaben) – mit der Nr. 24 konvertiert MAD zu MAD MAGAZINE
PANIC (12 Ausgaben)

ECMags

Verkaufsschlager: „New Trend“-Hefte

Die Stimmung in der amerikanischen Öffentlichkeit ist die Jahre 1953/54 hindurch aufgeheizt. Die Medien geißeln die Comic-Konkurrenz als „Schmutz und Schund“. Die Auswirkungen dieser Kampagne spürt man selbst im Europa der 70er Jahre noch. Den Makel der Minderwertigkeit werden die Comics jahrzehntelang nicht abwaschen können.

In CRIME, FANTASY, SCIENCE, HAUNT und CRYPT erscheint in den Schlussausgaben eine EC-“Todesanzeige” – “In Memoriam”. Herausgeber Gaines und sein Chefredakteur Feldstein schmeißen sichtlich genervt, aber immer noch sarkastisch, die Brocken hin. „Ökonomisch taumeln wir am Abgrund. Die unbegründeten, ungerechtfertigten und hysterischen Vorwürfe… die wir für totalen Unfug halten…zwingen uns zur Kapitulation. Wir geben auf, wir haben’s satt! Wir vertrauen allerdings darauf, dass von nun an weniger Verbrechen geschehen werden.“

Alle New Trend-Serien werden eingestellt.
Ausnahme: WEIRD FANTASY und WEIRD SCIENCE werden fusioniert zu WEIRD SCIENCE-FANTASY. Nach 7 Ausgaben erfolgt die Umbenennung in INCREDIBLE SCIENCE-FICTION (weitere 4 Ausgaben). Faktisch überlebt somit die EC Science Fiction den New Trend und wird parallel zur New Direction fortgeführt.

„New Direction“ (März 1955 – Dezember 1955)

EC versucht einen „relaunch“. Dieses neu konzipierte Sortiment von Abenteuer- und Thrillergeschichten geht durch die verlegereigene Comicheftzensurbehörde CCA, um am Kiosk überhaupt noch ausgelegt zu werden. Der Haken daran: Das EC-Flair geht verloren, die Fans wenden sich ab. Feldstein und Gaines haben resigniert, sie steuern seit 1954 auch keine Geschichten mehr bei. Das letzte Jahr des New Trend und die New Direction wird von Außenautoren geschrieben.

IMPACT (5 Ausgaben)
VALOR (5 Ausgaben)
MD (5 Ausgaben)
ACES HIGH (5 Ausgaben)
EXTRA! (5 Ausgaben)
PSYCHOANALYSIS (4 Ausgaben)
PIRACY (7 Ausgaben) gehört streng genommen nicht zur New Direction, da sie schon im Oktober 1954 startet. Die Serie wird allerdings in hauseigenen Werbeanzeigen (notgedrungen) der neuen Linie einverleibt und zugerechnet.

Die Hefte der New Direction beinhalten tolles Artwork aller EC-Stammzeichner und bieten solide Erzählungen, aber die Luft ist raus.

“Picto Fiction” (September 1955 – Mai 1956)

Herausgeber Gaines startet ein Magazinformat zum Preis von 25 Cent. Somit lässt sich nämlich die Comiczensur, die nicht für Magazine gilt, umgehen. Die Idee dieses Manövers sowie der Begriff „Picto Fiction“ soll von Zeichner Jack Kamen stammen.

SHOCK ILLUSTRATED (2 Ausgaben)
CRIME ILLUSTRATED (2 Ausgaben)
TERROR ILLUSTRATED (2 Ausgaben)
CONFESSIONS ILLUSTRATED (2 Ausgaben)

„Picto Fiction“ meint Textgeschichten mit Einzelbildern ohne Sprechblasen. Heute würde man sagen “graphic novel”, oder in diesem speziellen Fall, “graphic short story”. Das letzte Aufgebot. Floppt unsagbar. Die letzte Ausgabe (SHOCK ILLUSTRATED Nr. 3) wird noch in der Druckerei vernichtet.

Die fünf Genres von EC

Science Fiction

Das heimliche Faible von den Machern Gaines und Feldstein. Obwohl die beiden Hefte WEIRD SCIENCE und WEIRD FANTASY verkaufsmäßig kein großer Erfolg sind, geben Bill und Al ihr Lieblingskind nie auf. Die anderen Titel ziehen diese Projekte mit durch. Für die Science Fiction rekrutiert werden die Zeichner Orlando und Williamson.
EC’s Science Fiction besticht durch amüsante Spekulationen zur conditio humana – stets gespickt mit einer ironischen, teils gar sozialkritischen Pointe.

ScienceZu erwähnen ist „Judgement Day“ (WEIRD FANTASY Nr. 18). Ein irdischer Botschafter, unkenntlich in seinem Raumanzug, begutachtet die Fortschritte auf dem Roboterplaneten Cybrinia, um über dessen Aufnahme in die galaktische Republik zu entscheiden. Er entdeckt jedoch, dass zwischen blauen und roten Robotern Apartheid herrscht, muss Cybrinias Anliegen verweigern und reist ab. Im Schlussbild nimmt der Mensch seinen Helm ab, und wir erkennen, es ist ein Afroamerikaner.

Die Geschichte erscheint im März 1953. Dutzende Leser gratulieren, darunter auch Ray Bradbury. Zur Einordnung in den historischen Kontext sei angemerkt, dass Rosa Parks im Dezember 1955 im US-Bundesstaat Alabama verhaftet wird, weil sie einem Weißen ihren Sitzplatz verweigert.
Herausgeber Gaines legt sich knapp drei Jahre später mit der Comiczensur an – wegen des Nachdrucks von „Judgement Day“ in INCREDIBLE SCIENCE FICTION Nr. 33. Dem Zensor schmeckt die Botschaft nicht, Gaines wirft ihm das „F-Wort“ vor die Füße, druckt es und macht danach seinen Laden für immer zu.

Nicht minder beachtlich für seine Zeit ist die Zukunftssatire „A Man’s Job“ in WEIRD FANTASY Nr. 12: Die Vereinigten Staaten werden handstreichartig zur Frauengesellschaft. Ein Rollentausch der Geschlechter, geschildert in allen Einzelheiten. Männer sind den Frauen hörig, müssen Haushalte führen und können nicht autofahren. Am Schluss verabschiedet sich der männliche Erzähler, weil er in den Kreissaal geschoben wird, denn seine Wehen haben eingesetzt.

Grusel

Die erfolgreichsten Titel von EC. Obwohl direkt mit drei Titeln aufgelegt, laufen die Horrorgeschichten von Anfang an wie geschmiert. THE VAULT OF HORROR, THE HAUNT OF FEAR und TALES FROM THE CRYPT sind die langlebigsten Hefte des Verlags.
Die EC-Gruselcomics fahren ein cleveres (frühes) Cross-Marketing: Jedes Heft hat seinen eigenen „host“, seinen Gastgeber und Präsentator, der die Titel- und Schlussgeschichte ankündigt. Die zweite und dritte Geschichte gehört dann jeweils einem Kollegen der beiden Schwestermagazine. Der „Vault Keeper“ steht der VAULT OF HORROR vor, der „Crypt Keeper“ wacht über seine CRYPT (OF TERROR), und die „Old Witch“ präsentiert ihre HAUNT OF FEAR.

DreiHostsEbenfalls weitergetrieben wird die Identifikation damit, dass drei Zeichner die Aushängeschilder der drei Serien sind: Johnny Craig bei VAULT, Jack Davis bei CRYPT und Graham Ingels bei HAUNT.
Die Geschichten drehen sich um Geköpfte, die Rache suchen, um normale Menschen, die zu Monstern werden, um Erbschleicher, die über Leichen gehen, um Zombies, die die Lebenden heimsuchen, um Metzger, die Menschenfleisch anbieten und sogar um teuflische Geschwister, die als verkrüppeltes (quasi siamesisches) Körperteil ein Eigenleben führen – am Schaurigsten in der von Ingels illustrierten Story „The Ventriloquist’s Dummy“.

Der Schrecken geschieht jedoch nie um des puren Grauens willen, sondern ist meist Resultat eines perfiden Verbrechens, was auf übernatürliche Weise gerächt und mit gleichen Mitteln bestraft wird. Dieses Prinzip der „poetic justice“ darf als Philosophie des EC-Universums gelten.

Die Horrorhefte verkaufen sich so gut, dass 1954 eine vierte Reihe geplant und angekündigt wird: THE CRYPT OF TERROR. Sie erscheint nicht mehr, da sämtliche Horrorcomics vom Markt genommen werden. Erst Mitte der 60er Jahre nimmt der Warren Verlag mit den Comicserien EERIE und CREEPY die EC-Tradition wieder auf. Hier gibt es auch ein Wiedersehen mit den EC-Zeichnern Craig, Crandall, Williamson und Wood.

Krieg

Verantwortlich für die Herausgabe der beiden Kriegsserien ist Harvey Kurtzman. EC erkennt das Talent seines Zeichners, und schon im Herbst 1950 beauftragt ihn Gaines mit der Konzipierung eines weiteren Heftes, dem Abenteuercomic TWO-FISTED TALES. Die Geschichten um Konquistadoren, Piraten und Feldherren verlieren sich im folgenden Jahr, und TWO-FISTED wandelt sich zum reinen Kriegscomic.
Der heutige Betrachter denkt unwillkürlich an Vietnam, wenn er die asiatisch angesiedelten Geschichten liest. Es handelt sich jedoch um den damals zeitgenössischen Korea-Krieg (1950-53), der entlang derselben politischen Fronten wie der spätere Vietnam-Krieg verläuft.

Kurtzman, der auch alle diese Geschichten schreibt, kniet sich mit Anteilnahme in diese Auseinandersetzung und wagt etwas Neues: TWO-FISTED ist ab seiner vierten Ausgabe ein Anti-Kriegs-Comic. Das im Sommer 1951 anlaufende Schwestermagazin FRONTLINE COMBAT schlägt von Anbeginn in die gleiche Kerbe.
Der Krieg bei EC ist schmutzig, willkürlich, ungerecht. Soldaten beider Seiten krepieren sinn- und würdelos. Andere Kriegscomics am Kiosk glorifizieren die amerikanische Sache und erfreuen sich an sadistischen und rassistischen Phantasien. Nicht so Kurtzman und seine Mitstreiter. Die GIs sind oft nur Rädchen in der monströsen Maschinerie des Krieges. Die Kollateralschäden werden sichtbar, viele Soldaten sterben im sogenannten „friendly fire“.

Bahnbrechend immer wieder die Perspektive, die diese Comics einnehmen: Wir sind in Nagasaki, als die Atombombe fällt. Wir liegen in den Schlammlöchern des Ersten Weltkriegs, aus denen es kein Entrinnen gibt. Wir fliegen mit in Bombern, die vom Himmel geschossen werden. Wir erleben, wie Soldaten unter der Anspannung dem Wahnsinn verfallen.

TwoFistedDie prominenteste Geschichte ist die von Kurtzman selbst gezeichnete 6-Seiten-Story „Corpse on the Imjin“ (TWO-FISTED TALES Nr. 25). Am Ufer des Imjin sitzt ein einsamer GI und isst seine Mittagsration. Er beobachtet einen vorübertreibenden Leichnam und gerät ins Grübeln, wie der arme Kerl wohl gestorben sein mag. Da springt ihn ein feindlicher Soldat an, beide liefern sich einen Nahkampf auf Leben und Tod. Am Ende treibt ein neuer Leichnam den Imjin hinunter…
Die Geschichte schließt mit einem humanistischen Appell und einer lyrischen Klammer zum Anfang: „Have pity… for this man has lost that most precious possession that we all treasure above everything. He has lost his life! – Lightning flashes in the korean hills, and on the rain swollen Imjin, a corpse floats out to sea“. (Habt Mitleid, denn dieser Mensch hat das Wertvollste verloren, was uns über alles geht. Er hat sein Leben verloren. – Blitze lichtern über die koreanischen Hügel, und im regengeschwellten Imjin treibt ein Leichnam Richtung Meer.)

Auch erscheinen in beiden Reihen einige Einzelgeschichten und insgesamt 3 komplette Sonderausgaben zum Thema „Civil War“. Hier werden detailverliebt, ungeschönt und historisch akkurat Anekdoten und Eckdaten aus dem amerikanischen Bürgerkrieg (1861-65) nacherzählt.
Kurtzman wird seit 1953 von seiner Arbeit für das sehr erfolgreiche MAD aufgefressen und gibt Stück für Stück seine Kriegstitel auf. Vorgeschoben wird jedoch das Ende des Koreakriegs. FRONTLINE COMBAT wird zum Jahresende eingestellt und die TWO-FISTED TALES wechseln die Richtung. Für die 6 letzten Ausgaben (The NEW Two-Fisted Tales) übernimmt Kollege John Severin das Ruder und konzentriert sich auf Western, Krimi und Abenteuer.

Spannung

Mit „Spannung“ sei die deutsche Übersetzung des Begriffs „suspense“ gemeint, für die „Thriller“ zu kurz griffe. Denn jede Art von „thrill“ kommt aufs Tapet. Die beiden EC-Serien heißen CRIME SUSPENSTORIES sowie SHOCK SUSPENSTORIES (später gestartet, im Frühling 1952) – „SuspenStory“ ist hierbei ein Neologismus aus „suspense-story“. Spricht sich gleich, aber schreibt sich kürzer.

In CRIME tobt sich EC auf dem Sektor des Verbrechens aus. Das ist oft unappetitlich, und auf keinen Fall für schwache Nerven gedacht. Den folgerichtig größten Ärger handelt sich der Verlag mit Johnny Craigs drastischen Titelbildern ein: Ein Mann jagt sich eine Kugel durch die Schläfe, ein Irrer schwingt ein Messer, eine Frau wird lebendig begraben, unter Wasser erwürgt, über Wasser erdrosselt, ein Erhängter schwingt an gebrochenem Nacken – und das berüchtigte Cover von CRIME Nr. 22 (siehe oben) zeigt den mit der Axt abgeschlagenen Kopf einer blonden Frau.

ShockZur Verteidigung sei vorgebracht, dass die Verbrechen (fast) immer aufgedeckt werden, die perfiden Pläne bös zerplatzen. Für jeden Leser über 16 Jahren sind die Geschichten ein elegantes Vergnügen. Sprachlich auf höchstem Niveau, zeichnerisch sowieso, nichts weniger als genuss- und stilvoller Nervenkitzel. Hitchcocks zur gleichen Zeit entstandene Klassiker „Cocktail für eine Leiche“, „Bei Anruf Mord“, „Das Fenster zum Hof“ und „Immer Ärger mit Harry“ atmen denselben Geist und könnten auch EC-Geschichten sein. Auch sein Spätwerk „Frenzy“ ist ein guter filmischer Vergleich.

Die SHOCK SUPENSTORIES präsentieren neben einer Grusel-, einer Horror- und einer Krimigeschichte auch eine „Schockgeschichte“ – diese sind moralhafte Parabeln mitten aus der US-amerikanischen Gesellschaft. Machenschaften des Ku-Klux-Klan, Polizeigewalt, Korruption, Rassenhass, Intoleranz, Sexualverbrechen und Drogensucht landen in drastischen Bildern am EC-Pranger.

Humor

Die generell bei EC waltende Ironie äußert sich auch in Insider-Jokes: EC macht sich selber zum Thema. Redaktionsmitglieder stehen Modell für Figuren, und in 8 Geschichten tauchen „Bill und Al“ als Protagonisten auf. Auch schreibt man rührend –spaßige „origin stories“, also Herkunftsgeschichten, für zwei Zugpferde des Verlags: den Crypt Keeper und die Old Witch.
Im Herbst 1952 ist die Zeit gekommen für ein wirklich komisches „comic“-Heft. MAD erscheint und wird im zweiten Jahr seines Erscheinens nicht nur ein durchschlagender Erfolg, der Gaines zum Millionär machen und den EC-Verlag vor dem Untergang retten wird, sondern auch ein Heft, das die amerikanische Gesellschaft prägt und zu dem wird, was man gemeinhin als „Institution“ bezeichnet.

Der talentierte Harvey Kurtzman wird mit der Herausgabe von MAD beauftragt und erledigt diese Aufgabe mit Bravour. Schon in Ausgabe Nr. 4 wird Superman köstlich durch den Kakao gezogen, es folgen Parodien auf Tarzan, King Kong, Sherlock Holmes, Western und Science Fiction. Zeitgenössische Radio- und Fernsehshows werden satirisch überhöht und als schamlose Kommerzveranstaltungen bloßgestellt. MAD eröffnet seinen Lesern einen anderen Blickwinkel auf die Wirklichkeit, streut die Saat der Subversion unters Volk und erweist sich als Schule des Humors, ohne die spätere Comedy-Formate wie die „Saturday Night Live“-Show vielleicht undenkbar gewesen wären.

Auch MAD findet über ein Dutzend Nachahmer, und zum Jahresanfang 1954 bringt EC die „only authorized imitation of MAD“ heraus. PANIC erlebt 12 Ausgaben und wird dann eingestellt, weil Folgendes geschieht: Kurtzman nämlich hat im Frühjahr 1955 die Nase von Gaines‘ Verlagsführung voll, fühlt sich unterbezahlt und zu wenig respektiert. Er flüchtet vor EC – und nimmt ausgerechnet die Stammkräfte Davis und Elder mit. MAD steht auf der Kippe. Als Retter in der Not agiert der bewährte Al Feldstein. Der war ein paar Wochen zuvor (aufgrund der finanziellen Misere und des Scheiterns der New Direction) entlassen worden – nun holt ihn Gaines rasch wieder an Bord.

Und Feldstein steuert MAD von Erfolg zu Erfolg. Wood und Orlando sind noch da, bis 1960 folgen neue Talente wie Don Martin, Bob Clarke, Al Jaffee, George Woodbridge und Mort Drucker. Auch Davis kehrt zu MAD zurück, allerdings erst 1965. Feldstein übrigens bleibt volle 30 Jahre Chefredakteur bei MAD.

Die Künstler

Unter dem Logo von EC versammeln sich junge, hungrige Künstlerpersönlichkeiten, die jeder für sich einen überaus markanten Stil entwickeln. Mit oft gerade Mal Mitte 20 bewältigen sie ein enormes Arbeitspensum – quer durch alle Genres hinweg. Der schnellste übrigens ist Jack Davis, der langsamste Johnny Craig.
EC veröffentlicht in seinen Comics Porträts der im Heft vertretenen Künstler. Gleich mehrfach über die Jahre verteilt erscheinen Kurzbiografien samt Foto am Arbeitsplatz von den meisten EC-Zeichnern, jeweils auf dem Innencover (Seite 2) der Hefte, für die sie arbeiten.
Anmerkung:
Die Beispielabbildungen zu den EC-Künstlern sind repräsentative Proben ihres Stils und beziehen sich NICHT auf die sie beschreibenden Texte…

Johnny Craig (1926 – 2001)

Sein Markenzeichen ist der klare, kühle, elegante Strich. Sein Lieblingsthema sind mörderische Beziehungen. Craig zeichnet die kernigsten Männer und die schönsten Frauen. Er ist zudem Redakteur der Heftreihen VAULT OF HORROR und EXTRA! und schreibt die meisten seiner Geschichten selbst. Craig kommt als erster an Bord und bleibt bis zuletzt.

Reed Crandall (1917 – 1982)

Dynamischer und realistischer Stil. Stößt im Sommer 1953 zum Team und bekommt Thriller- und Horrorgeschichten zugeteilt. Ist nach Ingels der älteste Zeichner im Haus. Seine erste Geschichte ist gleich ein Paukenschlag: „Carrion Death“ in SHOCK SUSPENSTORIES Nr. 9 handelt von einem Polizistenmörder, der die an ihn gekettete Leiche des Cops in der Wüste zu entsorgen versucht und dabei von Geiern aufgefressen wird.

Jack Davis (1924 – heute)

Sein düsterer, dreckiger, cartoonhafter Stil prädestiniert ihn bei EC zum Allrounder. Außer Science Fiction bedient „Schnellzeichner“ Davis jedes Genre. Seine Horrorgeschichten strotzen vor Tristesse und dunklen Ahnungen, seine Kriegsgeschichten entbehren jeder Glorie und Heldenhaftigkeit. Noch dazu ist er ein brillanter „funny man“: niemand malt herrlichere Fratzen und dümmere Visagen. Mit seinem Schaffen für MAD und PANIC setzt er Maßstäbe.

Bill Elder (eigentlich Wolf William Eisenberg, 1921 – 2008)

Der Schulclown und Komiker der Klasse. Muss im echten Leben ein grenzwertiger Spaßmacher gewesen sein. Als Jugendlicher soll er Fleischbrocken in Kleidungsstücke gesteckt, am Bahndamm verteilt und dann die Polizei gerufen haben. Elders Zeichenstil hat viel von drolligem Cartoon. Seine wenigen Versuche im Horror- und Science-Fiction-Genre sind deshalb nur haarscharf akzeptabel. Mit dem Hauskollegen Severin arbeitet er bei den Kriegscomics zusammen.
Zur Entfaltung und Blüte kommt Elder, als er seiner absurden Komik in MAD freien Lauf lassen darf. Berühmt werden seine „Wimmelbilder“: Die Hintergründe führen bei Elder ein komisches Eigenleben, ausgemalt mit schrägen Miniaturen und ulkigen Beschilderungen.

George Evans (1920 – 2001)

Ergänzt die Mannschaft im Jahre 1953. Realistischer Zeichner mit „noir“-Touch. Alle Menschen im Evans-Universum haben kohlschwarze Augen, oft eingelagert in ebenso dunklen Höhlen. Wird höchst effektiv in den Thriller-Serien eingesetzt. Seine Detailkenntnis und Leidenschaft für die Fliegerei im Ersten Weltkrieg macht sich in den Kriegscomics bezahlt. Evans gestaltet memorable Comiclebensläufe von Fliegerassen wie Immelmann, Richthofen, McCudden und Guynemer. In der New Direction ist Evans das Zugpferd für die Reihe ACES HIGH.

Albert Feldstein (1925 – 2014)

Kommt als Zeichner zu EC, beschwert sich über die dünnen Stories, glaubt es besser machen zu können – und macht es besser! Feldstein wird zu Gaines’ rechter Hand, schreibt ganze Serien und erweist sich als genialer Comic-Kurzgeschichtenautor. In der Frühphase des New Trend zeichnet er ebenfalls in allen Heften. Sein Stil ist steif, hölzern und dickstrichig. Wer ihn spontan nicht mag, braucht Jahre um ihn goutieren zu lernen.
Bei den Kriegscomics bleibt es beim einmaligen Versuch. In der Startausgabe der TWO-FISTED TALES steuert er die rassistische und gewaltverherrlichende Plotte „Hongkong Intrigue“ bei – sein persönlicher Tiefpunkt. Kommentiert er selber: „Mein Versuch einer Abenteuergeschichte. Armer Harvey!“ – gemeint ist Redakteur Kurtzman, der den Käse drucken muss.

Graham Ingels (1915 – 1991)

Ingels darf als Fan-Liebling gelten und gehört mit Feldstein und Craig zum Künstler-Gründerteam von EC. Er ist der Senior im Haus, beginnt bei den Western- und Liebescomics der späten 40er Jahre. Als ihm 1950 Horrorgeschichten zugeteilt werden, findet er nur widerstrebend in das ihm unsympathische Genre. Schnell hat er sich einen höchst eigenen, als „gothic“ bezeichneten Stil angeeignet. Ein verzweifelt verstrichelter, beinah krakeliger Ausdruck bemächtigt sich seiner Geschichten. Alle Ingels-Figuren haben seltsam verzogene Gesichter und stehen oft unanatomisch schief in der Gegend herum. Eine Aura nicht abzuschüttelnder Depression strahlt von seinen Zeichnungen aus.
Er signiert seine Geschichten oft mit dem Künstlernamen „Ghastly“ (engl. für „grausig“). Ingels ist alkoholkrank (wie auch Crandall und Wood) und driftet oft tagelang unauffindbar durch die Bars von New York. Feldstein umgeht Terminschwierigkeiten mit seinem Zeichner, indem er ihm prinzipiell zwei Wochen verfrühte Abgabetermine nennt. In der New Direction arbeitet Ingels für PIRACY, IMPACT, VALOR und MD.

Jack Kamen (1920 – 2008)

Gilt als der brave Mann bei EC, unter Fans nicht wohlgelitten. Kamens gefälliger, glatter, nahezu langweiliger Zeichenstil trägt ihm viel Spott ein. Die Gruselgeschichte „Kamen’s Kalamity“ in CRYPT Nr. 31 macht sich übrigens genau darüber lustig – ein Paradebeispiel für ECs Selbstironie. Dennoch ist Kamen einer der meistbeschäftigten Zeichner im Haus und füllt die Seiten aller Thriller-, Science Fiction- und Gruseltitel auf.
Kamen ist auch der einzige Künstler, der bei EC einen Comic komplett alleine zeichnen darf: die vier Hefte der New-Direction-Serie PSYCHOANALYSIS sind von vorne bis hinten ein Werk von Kamen. “People searching for peace of mind through PSYCHOANALYSIS“. Der stocknüchterne und ernsthafte Versuch, sich mit dieser neuen Mode (1955!) auseinanderzusetzen. Und auf jeden Fall eine echte Kuriosität in der Comicgeschichte.

Bernard Krigstein (1919 – 1990)

Der Brooklyn-Boy mit den Künstlerambitionen und der letzte Zugang in der EC-Mannschaft (Herbst 1953). Zeichnet hauptsächlich für die Titel PIRACY, VALOR, ACES HIGH und IMPACT. Sein Stil ist fließend und kantig zugleich, dabei immer expressionistisch, seine Figuren wirken skulpturiert. Ein mysteriöses Flair umgibt seine Geschichten.
Legendär ist Krigsteins Beitrag zu IMPACT Nr. 1 – die in der Sekundärliteratur häufig nachgedruckte Nazijäger-Geschichte „Master Race“. Ein beeindruckend unkonventioneller Comic mit packend arrangierten Panels. Krigstein ringt mit Feldstein darum, diese Story ausbauen und umstrukturieren zu dürfen, und bekommt seinen Willen.

Harvey Kurtzman (1924 – 1993)

Wie aufs Stichwort betritt mit dem Beginn des New Trend ein auf der Suche befindlicher junger Mann die Redaktion, der sich im Nachhinein als Visionär und Trendsetter erweisen wird: Harvey Kurtzman braucht dringend Zeichenjobs und kommt EC gerade recht. Sein minimalistischer, doch ausdrucksstarker Stil gefällt den Herausgebern, und Kurtzman zeichnet für alle neuen Hefte.

Seine Bilder sind weniger Abbild der Dinge selber als vielmehr der Energie, die diese abstrahlen. Allerdings ist Kurtzman nie ein Befehlsempfänger. Er lässt sich nichts vorschreiben und besticht in WEIRD SCIENCE und WEIRD FANTASY durch eine Handvoll selbstgeschriebener, charmant-satirischer Zukunftsspekulationen. Er wird Redakteur für die Serien TWO-FISTED TALES und FRONTLINE COMBAT sowie MAD (das er die ersten 23 Ausgaben komplett schreibt).

Das Verleger-Triumvirat Gaines-Feldstein-Kurtzman ist jedoch kein harmonisches. Die drei können nicht recht miteinander, und im Sommer 1955 gibt Kurtzman seinen größten Erfolg und Triumpf aus der Hand. Er gibt MAD auf und verlässt EC. Feldstein berichtet, er habe einige Jahre später den Versuch unternommen, Kurtzman wieder zurück in den Verlag zu lotsen, doch man fand zu keiner Einigung.

Joe Orlando (1927 – 1998)

Gehört mit Wood und Williamson (und dessen Zuarbeitern Roy Krenkel und Frank Frazetta) zur „jungen Garde“ bei EC. Als ehemaliger Assistent von Wood steht Orlando bei EC nun auf eigenen Füßen muss sich erst seinen Stil erarbeiten. Der siedelt dann irgendwo zwischen Kamen und Crandall. Orlando zeichnet für die Science Fiction- und Thrillerserien – und zeigt bei PANIC (sowie später bei MAD) auch viel komisches Talent. In der Phase der New Direction obliegt ihm Arbeit bei IMPACT, VALOR und MD.

John Severin (1921 – 2012)

Heuert gemeinsam mit Elder bei EC an. Gemeinsam gestalten sie Geschichten in diversen Genres. Zeichnet später auch im Alleingang (TWO-FISTED TALES und EXTRA!). Verfügt über einen ähnlich klaren Strich wie Craig, jedoch ohne dessen Glamour.

Al Williamson (1931 – 2010)

Bereichert ab Sommer 1952 das Team. Seine Bilder wechseln ständig die Perspektive und fangen immer einen ganzen Kosmos ein. Vom Close-Up springt Williamson in die Totale und gleich in neue Räume hinein. Ein Sinn fürs große Ganze prägt diese Bilderwelt. Williamsons Zeichnungen sind wie geschaffen für Science Fiction – und genau das bleibt sein Acker (sowie wenige Beiträge für PIRACY und VALOR).

Wallace Wood (1927 – 1981)

Neben Ingels der meistbewunderte Zeichner im EC-Universum. Seine Figuren wirken oft statuesk und wenig dynamisch, sehen dafür aber verdammt gut aus. Seine Männer sind Modellathleten, seine Frauen üppige Vollweiber. Sein Stil ist klar und detailverliebt. Wood ist der Meister der Science-Fiction-Apparaturen. Seine Raumanzüge und Raumschiff-Interieurs faszinieren und überzeugen durch sinnhaft wirkende Technik.
Wood ist wie Kurtzman und Davis ein Zeichner, der in vielen Genres brilliert. Sein phantastisches Werk steht im Vordergrund, doch Wood hat ebenso bedrückende Kriegsgeschichten illustriert wie auch schmutzige Thriller gemeistert. Reinen Horror hat er zwar nicht gezeichnet, aber keinesfalls vergessen sollte man seine umwerfenden Beiträge für MAD.
(Korrigierend sei bemerkt, dass Wood 1951, in seiner frühen Phase, doch auch einige Gruselstories illustriert hat. Die aber halten im Vergleich zu seinen anderen Werken kaum mit…)

Nachdrucke

Einige Wiederauflagen von EC Comics sind seit den frühen 70er Jahren unternommen worden, oft nur fragmentarisch und punktuell. Hervorzuheben ist die Arbeit des US-Amerikaners Russ Cochran. Der ehemalige Fan schlug eine Lehrerlaufbahn ein, erinnerte sich dann wieder seiner EC-Leidenschaft, quittierte den Schuldienst und wurde zum Verleger. Gleich drei Projekte tragen seine Handschrift.

The Complete EC Library: In 14 Schubern präsentieren sich alle Titel des “New Trend” und der “New Direction” als überformatige Schwarz-Weiß-Reproduktionen der Original-Zeichnungen. Fast sämtliche Blätter hatte EC-Herausgeber Gaines in einem Privattresor aufbewahrt. Erschienen von 1979 – 1988. Heute seltene Sammlerstücke. Später wurde die „EC Library“ noch um die Bände der „Picto Fiction“-Reihe und einige Hefte der „Pre Trend“-Ära ergänzt.

ECArchivesThe EC Annuals: Alle „New Trend/ New Direction“-Hefte zusammengefasst in „Jahresausgaben“. Da jeder Titel zweimonatlich erschien, ergeben fünf Hefte ein „annual“. Diese Ausgaben sind farbig und entsprechen in etwa der Originalgröße und –Aufmachung. Erschienen in den 90er Jahren, heute noch größtenteils erhältlich.

The EC Archives: Der Versuch einer Hochglanzausgabe. Unzufrieden mit der bisherigen Farbgebung der EC Comics, veranlasst Cochran eine Neukolorierung. Etwas kleiner als die Library-Bände, erscheinen 2006-08 dreizehn Bände (mit je sechs Heften) aus sieben Serien des New Trend. Der Erfolg (analog anderer „Archives“-Comicausgaben) bleibt anscheinend aus, die Veröffentlichung wird eingestellt. Ebenfalls noch größtenteils erhältlich. Im Jahr 2012 wird die unterbrochene Produktion mit fehlenden Horrorbänden wieder fortgeführt.

Cochran vertreibt auf seiner Homepage, was noch an Beständen auf Lager ist.

www.russcochran.com

Der Verlag Fantagraphics veröffentlicht seit einigen Jahren EC-Material in neuen Zusammenstellungen in Schwarz-Weiß, die unter dem Begriff „The EC Comics Library“ firmieren.

Und dies ist ein schöner (wenn auch qualitativ schlechter!) Videoclip zur Geschichte der EC Comics.

Nachtrag März 2016:
Wer bei YouTube den Begriff „EC Comics Showcase“ eingibt, findet dort fast ein Dutzend Clips, in denen ganze Geschichten Bild für Bild VORGELESEN werden! Der Reigen beginnt mit Graham Ingels „Mess Call„…

 


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