Rot wie ein Hummer („Red As A Lobster“)

(aus “Das Monster von Frankenstein” Nr. 16, April 1975, Williams-Verlag)

Im hinteren Heftteil enthält dieser Comic den Nachdruck von Jim Mooneys „Red As A Lobster“ aus ADVENTURES INTO TERROR Nr. 17 vom März 1953, Atlas Comics.

Der Lebemann und Yachtbesitzer Paul kredenzt seinen Gästen frischgefangene Hummer, die er eigenhändig mit sadistischem Vergnügen zubereitet. Seine Verlobte ist von ihm angewidert und will mit einem anderen Mann durchbrennen. Paul fasst daraufhin den Plan, den Rivalen auf einem Tauchgang umzubringen. Doch da hat er die Rechnung ohne die aquatische Fauna gemacht.

Ein weiterer knackiger Fünf-Seiten-Precoder aus der Atlas-Produktion:

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Natürlich ist diese Story Unfug und nicht die Bohne glaubwürdig. Kochend heißes Wasser in einem normaltemperierten Meer?! Hummer, die einen Menschen verschleppen?!

Sie ist jedoch ein perfektes Beispiel für den „poetic justice twist“, den ich gerne diskutieren möchte. Also eine Pointe mit strafender Gerechtigkeit. Eine „Wie-Du-Mir-So-Ich-Dir“-Parabel. Kants kategorischer Imperativ im Comic.
Der PJT ist wahrscheinlich eine Erfindung aus den Horrorheften des Verlags EC. Ich verweise bei der Gelegenheit nochmals auf unseren Großessay zum Thema EC.
Der Bösewicht wird am Ende auf eine Weise gerichtet, die er selber bei seinen Opfern angewandt hat. Nicht JEDE Geschichte verläuft bei EC nach diesem Muster, aber doch so viele, dass der PJT eine Art Markenzeichen der Serien TALES FROM THE CRYPT, VAULT OF HORROR und HAUNT OF FEAR ist.

Ich habe mich auf die Suche nach ersten PJT-Geschichten gemacht. Hier einige Kandidaten:

FrankensteinCover16„Death Suited Him!“ in TALES FROM THE CRYPT Nr. 21 (die fünfte Ausgabe, Zählungen führen ihr Eigenleben bei alten Comics) vom Dezember 1950: Lawrence bringt seinen Rivalen John um. Zur Hochzeit mit der von beiden begehrten Frau braucht er einen Smoking. Er holt sich den im Grab von John, der im Smoking beerdigt wurde. Der Anzug ist jedoch von Leichengift durchtränkt und vergiftet den Grabräuber.

„Buried Alive!“ in VAULT OF HORROR Nr. 15 (die vierte Ausgabe) vom Oktober 1950: Der Entfesselungskünstler Sam  kann stundenlang in vergrabenen Särgen ausharren. Seine Frau Rita will ihn loswerden und befreit ihn nicht. Durch Zufall wird Sam entdeckt und überlebt. Auf blinde Rache aus packt er Rita lebend in einen Sarg und wirft diesen in einen Treibsandsumpf. Sam hat dummerweise seine Jacke am Sarg festgenagelt und geht mit unter.

„A Strange Undertaking“ in HAUNT OF FEAR Nr. 6 vom März 1951: Der Bestatter Ezra lebt im Kleinkrieg mit der Dorfbevölkerung. Stirbt jemand, begeht Ezra absurde Rituale an den Toten. Dem Banker wird sein Schädel mit Kleingeld gefüllt, der Zahnarzt bekommt alle Zähne gezogen, der Stadtrat wird mit Akten ausgestopft. Eines Nachts erheben sich die geschändeten Toten und verstümmeln ihrerseits den Bestatter.

Ja, diese Story wurde von Graham Ingels illustriert (der übrigens im Lauf der Jahre mehrere Varianten dieses Plots gestaltete).

PJTs transportieren inhärente Ironie, was sowieso gut zu EC passte. Andere Verlage haben dieses Muster fast nie bedient – auch weil solche Handlungsstränge clever konstruiert sein wollen. Das kostet Zeit und Hirnschmalz. EC verfügte über diese Kapazitäten. In der Schlussphase jedoch wurden die Geschichten immer fantastischer.
Zum Beispiel beseitigt ein Skipper seinen Rivalen, indem er ihm mit Lepra infiziert. Der verrottende Mann wird über Bord gestoßen und von einem Walfisch gefressen. Als der Wal sich kurz darauf übergibt, sammeln die Seeleute das Erbrochene ein – denn ist es die Grundlage für ein teures Parfüm. Der Skipper präsentiert der Witwe des Toten einen Flakon davon. In Vorfreude einer Liebesnacht sieht er sodann die Frau aus dem Bad treten. Sie hat das Parfüm benutzt und stolpert ihm als lepröser Zombie entgegen!

(„Forever Ambergris“ in TALES FROM THE CRYPT Nr. 44 vom Oktober 1954)
Ambergris

„L’eau de lèpre“ – wirkt sofort und macht weniger aus Ihrem Typ

So grotesk sind nur die Horrorcomics der 50er Jahre! Deshalb mach ich das ja hier…

„Rot wie ein Hummer“ dürfte den Applaus radikaler Tierschützer finden. Und ist ein Beispiel dafür, dass Atlas mit diesem Plot ganz klar EC ausgestochen hat. Das ist höchst selten passiert, denn erst in einer späten CRYPT-Ausgabe (Nr. 40 vom Februar 1954) zeichnet Graham Ingels in „Half-Baked!“ einen sadistischen Koch, der Hummer grillt – und selber einen furchtbaren Flammentod sterben muss.

 


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Ein Gedanke zu „Rot wie ein Hummer („Red As A Lobster“)

  1. Kurt Senn

    Hallo!
    Woher sind die farbigen Seiten von „Rot wie ein Hummer“? Sind diese aus dem „Der Beste Horror aller Zeiten“-Comic (Williams Verlag 1973)?
    Ich frage mich warum kein Verlag diese tollen Comics nochmals deutsch rausbringt …übrigens ich mache Miniature Dioramen nach Vorlage von diesen Comics !
    Viele Grüsse Kurt

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