(aus “Weird Terror” Nr. 8, im November 1953 von Comic Media veröffentlicht)
Der exzentrische Onkel Hugo mit dem markanten goldenen Kneifer auf der Nase kommt auf Besuch und schikaniert seine Erbnichte und deren Familie. Als er sich zur Ruhe bettet, hat er einen ungebetenen Besucher.
Vier Seiten lang bewegt sich ein Mensch nicht aus seinem Bett. Das soll ein Horrorcomic sein? Sehen Sie selbst!
„Mirror Image“ ist einer der letzten Comics des großen Rudy Palais – und ein Meisterwerk seiner Zeit. Moderner ist Comic nicht mehr geworden.
Seite 3 allein beweist, weshalb Comics eine Kunstform des grafischen Erzählens darstellen. Palais gelingt eine geniale Visualisierung der Angst: Vom Entdecken der Schlange in Bild 3 windet sich das Reptil seitenübergreifend nach Bild 6 und ist dabei (in der Fantasie des Mannes) so riesig geworden, dass dieser am Ende wahrhaft hypnotisiert vor einem monströsen Schlangengott steht. Palais‘ Bildwahl ist so logisch und erdrückend, dass man sich keine andere Umsetzung denken kann!
Hugos Ende entspringt nur seiner Vorstellung, er ist das Opfer seiner ‚self-fulfilling prophesy‘.
Er glaubt, man wolle ihn heimtückisch ermorden – also stirbt er einen grotesken Tod. Auch das ein modern anmutender Psycho-Horror, der gut in unsere Jetztzeit passt. Machen wir uns nicht alle ein bisschen verrückt?!
Rudy Palais (dessen Name übrigens französisch ausgesprochen wird, selbst Amis sagen: Pa-lääh) war Kinoplakatmaler in den 1930er-Jahren, fand dann sein Auskommen in der Welt der Comichefte. Dieser Veteran arbeitete bereits 1941 für mehrere Verlage und fiel schon früh durch extravangtes Layout und gewagte Perspektive auf.
Sein Markenzeichen ist der tropfenförmig sprühende Schweiß, später kamen noch nebulöse Schwaden hinzu (selbst hier auf Seiten 4 und 6, in Innenräumen!), des puren Effekts wegen!
Mitte der 1940er-Jahre beginnt Palais viel für den ACE-Verlag zu arbeiten, macht sich einen Namen als Crime- und Mystery-Artist. Seine Beiträge für die Serien SUPER-MYSTERY und FOUR FAVORITES lassen schon den Horrorzeichner erahnen …
1951 taucht er bei Harvey auf und wird dort Stammkünstler für die vier Horrorhefte. Zwei Höhepunkte seines Horrorschaffens dort sind auch hier gepostet: FRUIT OF DEATH und CRYPT OF DEATH.
Angeblich ist Palais dann bei Harvey gefeuert worden, weil er zu wild in seinen Zeichnungen wurde. 1953 taucht er beim Kleinverlag Comic Media auf und gestaltet dort nach freiem Willen ein paar letzte herrliche Horrorstories. 1955 verschwindet Palais aus dem Comicbusiness. Es wäre auch zu wild geworden …
„Mirror Image“ ist Auftaktgeschichte des Sammelbandes SNAKE TALES aus den vorzüglichen Reprint-Büchern „The Chilling Archives of Horror Comics“. Genau, wieder einmal Werbung für Yoe Books! Trotz der Monothematik gelingt SNAKE TALES ein tolles Spektrum an Precode-Horrorschaffen, wärmstens empfohlen (habe selber vier Geschichten beigesteuert).
A fairly mediocre story elevated by the artwork. No one could draw perspiration like Palais. Wonderful, wonderful layouts.