Nachdrucke von 50er-Jahre-Horrorcomics:
Ich schätze, dass weltweit keine 200 Menschen intime Kenner der Pre-Code-Horrorcomics sind. Auch ich bin nur engagierter Laie. Eine umfassende Kenntnis erfordert den Besitz von über 1.000 Original-Heften. Das ist nicht nur unbezahlbar, sondern auch unerreichbar.
Man kann sich jedoch gut in die Materie einarbeiten. An ein gutes Drittel (vielleicht gar die Hälfte) des „Stoffes“ kommt man heran – mit Nachdrucken, einigen Fachartikeln und einem digitalen Museum! Wie das funktioniert, schildere ich im Folgenden.
Nachtrag 2016: Hohoho. Inzwischen kommt man an mindestens Dreiviertel (!) des Stoffs heran! Ich selber habe ordentlich digitale Lücken gefüllt, und die Flut von Nachdrucken in Buchform reißt nicht ab. Serie um Serie wird neu aufgelegt (s. weiter unten, Bücher von PS und Craig Yoe).
THE COMPLETE EC LIBRARY (Russ Cochran im Eigenverlag, 1977-2006).
Eines Verlegers Lebenswerk: in 18 vielkiloschweren Schubern ist das Oeuvre der Entertaining Comics abgelichtet. 12 dieser Monster versammeln das „Kernwerk“ aus den Zeiten des „New Trend“. Diese wurden auch schnell veröffentlicht (bis 1985). Die Vorläufer und Nachgeburten kamen peu a peu noch hinterher. Eine Zierde in jedem Comicschrank.
Kurioserweise erfahren selbst hochpreisige Nachdrucke wie diese keine Wertsteigerung. Die Library lässt sich auf Ebay mit ein bisschen Geduld noch komplett zum damaligen Ausgabepreis zusammensteigern.
Neue „EC Comics Library“ (Fantagraphics, seit 2012)
Hier handelt es sich um eine fortlaufende Serie von Hardcoverbänden zum kleinen Preis.
In gutem Druck (jedoch kleinformatig und unschön komprimiert) präsentiert Fantagraphics ebenfalls in Schwarz-Weiß einzelne Zeichner von EC: Kriegscomics von Harvey Kurtzman, Horrorwerke von Jack Davis, Thriller von Wally Wood and alles von Al Williamson in leider lieblos wirkender Aufmachung.
Mich spricht dieses Programm nicht an, aber wer noch nichts von EC hat, ist eventuell dankbar für dieses Angebot. Interessenten mögen bitte die Webseite zur Fantagraphics EC Comics Library studieren.
FIFTIES TERROR (Eternity Comics, 1988-1989).
Schwarz-weiß-Reprints auf billigem Papier. Vier oder fünf Geschichten pro Heft. Es existieren sechs Ausgaben. Wenige Einzelhefte auf Ebay zu finden. Die Auswahl scheint superb (Powell, Nostrand, Sparling, Check im ersten Heft, übrigens alles Harvey-Reprints). Enthalten weder Kommentare noch Zeichner-Credits, aber die Erstveröffentlichungen sind angegeben.
SILVER SCREAM (Lorne-Harvey Publications, 1991).
Ebenfalls schwarz-weiß-Reprints auf billigem Papier. Es existieren drei Ausgaben. Auch dünne Hefte mit allerdings ausgesucht feinen Geschichten. Leider finden sich nirgendwo Credits, Recherchen ergeben jedoch, dass es sich um Nachdrucke aus Comics des Harvey Verlags handelt, meist „Black Cat“.
Herausgeber „Lorne-Harvey“ scheint Rechtsnachfolger zu sein. Auch hier wie schon bei „Fifties Terror“ viel schönes Artwort von Bob Powell und Howard Nostrand!
SEDUCTION OF THE INNOCENT (Eclipse Comics, 1985-1986).
Ironisch benannt nach dem Buch, das 1954 die Welle der öffentlichen Empörung gegen Comics an sich krönte.
Sechs schmale Hefte mit je nur vier oder fünf Geschichten.
Exzellente Repros von Originalblättern, darunter mehrere Geschichten von Alexander Toth. Im Internet noch erhältlich.
„Gewarnt“ sei allerdings vor der Neukolorierung, die den Liebhaber der Originale augenblicklich befremden wird:
Seltsam erdige und gedeckte Töne nehmen den Geschichten viel vom schrillen Charme der sehr viel kontrastreicheren (sprich: „bunteren“) Erstveröffentlichungen.
MR. MONSTER SUPER DUPER SPECIALS (Eclipse Comics, 1986-1987).
Der rührige Eclipse-Verlag legte nach mit mehreren Sonderheften, die Horror-, Science Fiction- und Crime-Stories präsentieren. Auch das sind nur dünne Heftchen, die ebenfalls neu koloriert ausgewählte Delikatessen feilbieten.
Die, monster, die! (malibu graphics publishing group, 1991).
Obacht, leider eine Mogelpackung.
Der Untertitel verspricht zwar „24 Classic Tales Of Monsters, Madmen And Mayhem From The Pre-Code Horror Comics Of The 50s“, aber bietet keine COMIC STORIES, sondern Textgeschichten! Ja, genau 24 kurze Textgeschichten aus der Heftmitte der Gruselcomics.
Das könnte ja ein lesenswertes Projekt sein, aber mir kommen die ausgewählten Texte äußerst wahllos kombiniert vor. Und richtig grottig sind sie auch nicht durchgehend. Urteil: überflüssig.
TALES TOO TERRIBLE TO TELL (New England Comics Press, 1991-93).
Diese Fanzine-Reihe reißt bis heute Menschen in den Sog der Comicsucht. Noch alle 11 Ausgaben sind als USA-Import über Ebay erhältlich.
Mit Glück erwischt man einen kompletten Satz. Die Hefte sind in Schwarz-Weiß gehalten und wirken ein wenig schmuddelig.
Oft reproduziert Herausgeber Suarez nicht von Originalkunst (verschollen), sondern aus alten Heften. Das wirkt leider wie aus dem Fotokopierer gezogen, tut aber der Sache keinen Abbruch.
Der Hauptspaß besteht in seinen Ausführungen zur Horrorforschung und den ironischen Kommentaren in seiner „cover gallery“.
Davon inspiriert, präsentiert FIFTIES-HORROR eine eigene Titel-Galerie mit Kommentaren.
Achtung, Schnäppchen! Auf ihrer Homepage vertickt die NewEnglandPress einen kompletten Satz TTTTT für sagenhafte 20 Dollar! Sehen Sie hier.
Nachtrag Juli 2013: Erfahre soeben, dass dieses Angebot offenbar nicht für Europa gilt. Nicht bestellen! Der Verlag hatte Schwierigkeiten mit dem deutschen Zoll, da manche Hefte Kriegsgeschichten aus den 40er Jahren nachdruckten. Da kommen dann Hakenkreuze vor, das hat der deutsche Zoll offenbar öfters mal einkassiert.
NewEnglandPress versendet deshalb nicht mehr direkt nach Deutschland!
Bitte euer Bieterglück auf Ebay versuchen… :- (
The MAMMOTH BOOK OF BEST HORROR COMICS (Running Press Book Publishers, 2008).
Für 10 bis 20 Euro erhältlich in USA oder Großbritannien, auch bei Amazon Deutschland.
Fettes Teil in Schwarz-Weiß mit über 500 Seiten, aber was kann es bieten? Doch einiges.
Immerhin 19 Nachdrucke aus den 50er Jahren, darunter namhafte Künstlerbekanntschaften wie Palais, Heck, Fox, Cameron, Hollingsworth, Cole, Grandenetti und Katz.
Die Repros sind nicht brillant, aber ordentlich.
Herausgeber Peter Normanton (Macher des englischen Horror-Fanzines „From The Tomb“) packt noch 28 Geschichten aus späteren Jahrzehnten hinzu und bietet uns somit einen griffigen und kenntnisreichen Überblick über die Stile und Entwicklungen des Horrorcomics.
CRYPT OF HORROR (AC Comics, seit 2005).
Etwa halbjährlich erscheinen hier auf 120-140 Seiten pro Heft feine Nachdrucke. Eigentlich ein sensationelles Projekt, das ich jedoch noch nirgendwo im Handel gesehen habe (es handelt sich offenbar um „print-on-demand“-Produkte, die dann auf Bestellung erst erstellt werden…).
Ich kenne auch niemanden, der sie besitzt. Sie sind einfach viel zu teuer.
Mittlerweile sind 17 Ausgaben auf dem Markt, allerdings zum „Mir-bluten-die-Ohren“-Preis von je 25 bzw. 30 Dollar! Noch dazu handelt es sich um schwarz-weiße Nachdrucke.
Hmm. Kein berauschendes Preis-Leistungs-Verhältnis.
MARVEL MASTERWORKS – ATLAS ERA (Marvel Comics, seit 2007).
Marvel ist seit einiger Zeit auf den Trichter gekommen, dass man auch Werke aus den frühen 50er Jahren nachdrucken kann. Als Marvel noch Atlas hieß, waren sie ja die größten und fleißigsten Verleger von Horrorcomics.
2009 wurde die komplette pre-code-Serie MENACE aufgelegt (11 Hefte). Seit 2007 werden die STRANGE TALES chronologisch veröffentlicht (inzwischen vier Bände mit insgesamt 40 Heften). Ab der Nummer 35 tragen die Hefte das Siegel der Comics Code Authority (und sind damit nicht mehr pre-code, sondern post-code). Dasselbe gilt für JOURNEY INTO MYSTERY (im Nachdruck seit 2008, hier endet der Grusel mit Ausgabe Nummer 23).
Das Reizvolle an den Masterworks ist, dass sie bisher nicht in Horror-Anthologien nachgedruckt wurden (weil nicht lizenzfrei!). Diesen Stoff gibt es also ausschließlich in diesen schön gemachten (aber mit 60 Dollar auch brutal teuren!) Bänden.
Etwas gewöhnungsbedürftig ist allerdings die Reproduktion auf weißem Hochglanzpapier.
Die Farben (gerade in den „Strange Tales“ Nr. 1 – 5) wirken zum Teil regelrecht „poppig“. Man fragt sich unwillkürlich, ob das noch authentisch sein kann.
Noch drei Beobachtungen zu den Gruselserien von Atlas:
Erstens ist das Artwork relativ homogen, wenn ich böse sein wollte würde ich sagen: austauschbar. Ob die Geschichten von Tuska, Goldfarb, Everett, Sinnott, Reinman oder Kida gestaltet sind (um nur einige Stammkräfte zu nennen), stilistisch ist das alles recht nah beieinander. Selten tanzt da mal ein Krigstein, Colan oder Maneely aus der Reihe.
Zweitens finden sich immer wieder reine Crime- oder Science-Fiction-Stories in den Horrorpaketen. Da fehlt mir manchmal die Trennschärfe, der Gestaltungswille. EC war in seinen Titel sehr viel konsistenter. Wenn bei EC „Crime“, „Horror“ oder „Science“ draufsteht, dann war da auch nix anderes drin.
Drittens verlassen sich Atlas-Titel offenbar ausschließlich auf Ironie. Das hat Vor- und Nachteile. Alle Comics sind durchaus solide. Sie beweisen Niveau und moralische Haltung. Es findet sich kein „Schrott“ in diesen Heften. Leider wirkt das mitunter farblos – trotz der schönen Kolorierungen. Ich vermisse konkret auch mal eine Geschichte, die mich „Ähhhh…“ stöhnen lässt. Wo sind die herrlich saudummen Geschichten, wo ist der Trash, wo bricht auch mal der kranke Wahnsinn durch? (Master Comics, ACG, Fawcett, Story und Harvey greifen so schön oft auch mal richtig tief ins Klo…)
Nicht bei Atlas. Was ich schade finde. Atlas ist leicht steril.
Und gleich darf ich mich selber korrigieren: Die Beiträge der Atlas-Serie VENUS (die Hefte 14 bis 19 zählen zum Horrorkanon) sind wundersam dämlich. Obschon von Bill Everett ansprechend gezeichnet, sind die Texte von einer Qualität, dass man in die Tastatur beißen möchte: Betulich, schwachsinnig und unlogisch bis dorthinaus. „Baddies“ durch die Bank. Zu bestaunen auf Karswells Blog „The Horrors Of It All„.
FORBIDDEN HORRORS – Comix From The Gone World (Cremo Studios, 2011).
Ein echtes Kuriosum ist dieses Werk von Michael Aitch („H“) Price. Entdeckte ich auf Amazon, und obwohl man in das Buch hineinschauen durfte (Amazons „look inside“-Funktion), konnte ich mir keinen Reim darauf machen, was das für ein Buch sein sollte. Es sah aus wie eine Hommage an das Iger Studio, dessen Fließbandkräfte bekanntlich viele Heftserien der 50er Jahre mit Artwork bestückt haben.
Ist es auch. Einerseits. Denn es druckt in Schwarz und Weiß 22 pre-code-Geschichten von Igers stilbildendem Stammzeichner Robert Hayward Webb nach. Andererseits hat Price all diese Geschichten verfremdet und neu betextet!
Das ist oft rätselhaft und mühselig, bereitet bisweilen aber auch Vergnügen. Wenn mit der Sprache der 50er Jahre gespielt wird. Wenn Klischees thematisiert werden. Wenn Dr. Wertham als Zombiefigur die Comics von innen unterwandert. Oder wenn meta-humoristisch beklagt wird: „Where’s Steve Ditko when a phantasmagorical scene needs him?!“
Mein Urteil: Schräger Spaß für Experten!
Mehr über die Persiflagen von Michael H. Price erfahren Sie unter diesem Blog-Eintrag – der auch auf eine Beispielgeschichte verweist…
Harvey horrors – collected works (PS artbooks, seit 2011).
Die Comichefte der Verlage EC, Atlas und Harvey gelten als die literarisch und grafisch besten Produkte ihrer Zeit. Was ich allerdings nach Lektüre der ersten beiden Serien relativieren möchte (s. unten). Dennoch: PS Publishing aus England macht Horrorträume wahr und arbeitet an der Gesamtausgabe der Harvey-Hefte. Bislang erschienen sind:
CHAMBER OF CHILLS, Volume One – die ersten sieben Ausgaben der Jahre 1951/52. Aus Originalheften abgescannt und mit aufgeweißten Seitenrändern auf mattes Papier in Originalgröße reproduziert. Schon diese ersten sieben Hefte bieten ein tolles, ein wildes Spektrum – darunter so kranke Klassiker wie der köstliche „Snake-Man“ von Rudy Palais, „Operation: Monster“ von Giunta/Stallman, „Jelly Death“ und „Pit Of The Damned“ von Bob Powell, „Crawling Death“ von Simon/Perlin, „Dungeon Of Doom“ von Vic Donahue sowie „Seven Skulls Of Magondi“ von Kremer/Elias.
Volume Two versammelt Hefte des Jahres 1952 und bleibt den Künstlern von Volume One treu. Mit Ausgabe Nummer 13 betritt Howard Nostrand die Bühne („The Man Germ“). Im Vergleich zum fulminanten ersten Band schockieren diese nächsten sechs Hefte jedoch durch inhaltliche Langeweile. Ein deutlicher Absturz, wir behalten das im Auge. Erwähnenswert sind einzig „Headless Horror!“ (Abe Simon), „Bride Of The Crab“ (Moe Marcus) und „The Fruit Of Death“ (Rudy Palais).
Mit Volume Three betreten wir das Jahr 1953 und erleben, dass Rudy Palais den Verlag verlässt. Die gute Nachricht: Die inhaltliche Durststrecke ist überwunden, und ab Heft 17 lässt es die Redaktion richtig krachen. „Cycle Of Horror“ von Al Eadeh, „Amnesia!“ von Warren Kremer, „Haircut!“ von Howard Nostrand, “Atom” von Joe Certa, “Friend” und “Happy Anniversary” von Bob Powell sind die Höhepunkte dieses dritten Sammelbands.
Volume Four beschert uns hingegen wieder eine kalte Dusche. Die eine Hälfte der Geschichten sind fadenscheinige, unlogische Ärgernisse ohne Hand und Fuß. Die andere Hälfte sind die wunderbaren, schwarzen Humoresken von Bob Powell und Howard Nostrand. Weitere Künstler sind Joe Certa und Manny Stallman, neu im Aufgebot ist Jack Sparling. Dieser Band enthält gleich sieben Hefte (wobei anzumerken ist, dass die beiden letzten Ausgaben Nachdrucke früherer COC-Hefte sind). Hit-Stories sind „Choir Master“ (Powell), „Inside Man“, „Dust Unto Dust“ und „I, Vampire“ (alle Nostrand) sowie „Lottery“ und „Heartline“ von Stallman.
WITCHES TALES, Volume One – die ersten sieben Ausgaben des Jahres 1951. Bereits besser (nämlich heller) gedruckt als der erste Band der „Chamber Of Chills“. Enthält jede Menge Geschichten von Rudy Palais, weitere Klassiker von Powell („Sewer Monsters“, „Servants Of The Tomb“ und „League Of The Damned“) und einiges, was zu entdecken sein dürfte.
Für Volume Two gilt leider dasselbe wie für den zweiten Band der CHAMBER OF CHILLS. Im Jahre 1952 produziert Harvey inhaltlich ziemlichen Müll. Die Geschichten wirken halbgar, hastig, hingehuddelt. Immerhin kann das kreative Artwork ein bisschen Boden gutmachen.
Rudy Palais, Bob Powell, Vic Donahue, Manny Stallmann und Joe Certa sind die Stammzeichner.
Die Ausbeute an Klassikern aber bleibt mager: „Toys Of Terror“ von Lee Elias, „Tank Of Corpses“ von Joe Certa, „It!“ von Bob Powell und „The Torture Jar“ von Morris Marcus. Mehr ist hier nicht drin.
Auch Volume Three hat mich einigermaßen schockiert. Wir bekommen mehr dramaturgisch mit der heißen Nadel gestrickte Pseudo-Geschichten, die oft peinlich verpuffen.
Am besten funktionieren einige Plots, die sie von EC geklaut haben; am originellsten sind Nostrands „Mother Goose’s Nursery Crimes“. An Stories zu erwähnen sind bloß „Art For Death’s Sake“ von Palais, „Zodiac“ von Warren Kremer, „Kiss And Kill“ sowie „The Invasion“ von Bob Powell. O weh, o weh, Harvey. Das Denkmal bekommt tüchtige Risse.
Volume Four hingegen überrascht wieder mit Qualität! Jede Menge fabelhaftes Artwork – fast ausschließlich von Powell, Nostrand und Stallman. Dazu gibt es viele gute (und sogar einige originelle) Stories: „Eye Eye, Sir“ von Sid Check, „What’s Happening at 8.30?“ und „Ivans-Woe“ von Nostrand, „The Ticket“ und „Monopoly“ von Stallman, „Ali Barber and the Forty Thieves“ und „The Hunter“ von Powell. Insgesamt findend die letzten Ausgaben von WT einen eigenen ironischen Ton.
TOMB OF TERROR, Volume One – die ersten sechs Ausgaben aus dem Jahre 1952. Harveys Horror-Nesthäkchen geht als dritte Ausgabe an den Start. Neben den Verlagsstars Powell (hier vertreten mit „Rat Man“ und „Cavern Of The Doomed“) und Palais („Crypt Of Death“ und „Head Of The Medusa“) machen wir hier Bekanntschaft mit zwei „neuen“ Zeichnern, die höchst entdeckenswert sind: Joe Certa und Morris Marcus.
TOMB OF TERROR kann sich dem Fluch des textschwachen Jahres 1952 besser entziehen als die Schwesterhefte CHAMBER OF CHILLS und WITCHES TALES, denn hier rifft man nicht nur auf Versatzstücken herum, sondern wartet auch mal mit originellen (sprich: meist abstrusen) Ideen auf.
Volume Two reicht bis zum Herbst 1953 und präsentiert im Großen und Ganzen „okayes“ Zeug. Ein paar ärgerliche Ausreißer werden aufgefangen durch ein paar originelle Stories. Der Rest ist passable Gruselware. Das Artwork ist – wie meist bei Harvey – attraktiv. Dieser Band präsentiert vor allem Lee Elias (darunter „Bubble, Cauldron, Bubble!“), Bob Powell („Communist“), Howard Nostrand („The Rift Of The Maggis“) und Manny Stallman („The Eyes Of March“).
Volume Three macht den Sack zu und druckt die fünf letzten Hefte (bis Sommer 1954) ab. Mit Ausgabe Nummer 13 (von 16) wandelt sich TOT zum Science Fiction-Heft! In der Schlussnummer brillieren Sid Check und Howard Nostrand noch mit dem Vampirhorror „Tag… You’re It“. Davor zu erwähnen sind „Tale Of Cain“ von Nostrand, „Germ Sequence“ von Joe Certa, „The Dead Planet“ und „The Report“ von Bob Powell sowie „Break-Up“ und „What D’you Know, Joe“ von Jack Sparling, dem Spätzugang in Harveys Horroraufgebot.
BLACK CAT MYSTERY, Volume One – die ersten sechs Ausgaben aus den Jahren 1951/52. Dieser eher harmlos wirkende Titel entfaltet vor uns das komplette Spektrum des Harvey-Wahnsinns: blutige Gewalt gegen Mensch und Tier, kalte Grausamkeit und unerbittliche Rachsucht – kranker Scheiß vom Feinsten. Darunter „Sleepwalking Killer“, „Jack Of Horror“, „Last Man On Earth“, „Marching Zombies“ und „Army Of Scorpions“. Gezeichnet von (im Grunde) nur drei Künstlern: Vic Donahue, Bob Powell und vor allem Palais, Palais, Palais (der Rudy natürlich).
Volume Two präsentiert uns die zweite Jahreshälfte 1952. Mehr zeichnerischer Wahnsinn von Bob Powell, Rudy Palais, Joe Certa sowie Don Perlin und Abe Simon. Viele Geschichten sind belanglose Grütze, aber es finden sich auch Klassiker: „Rotting Demons“ von Bob Powell, „The Body Maker“ von Warren Kremer und „Live Man’s Funeral“ von Al Eadeh.
Schockierend ist allerdings Peter Normantons Porträt von Rudy Palais, das vor Fehlern nur so strotzt. Der Mann ist Horrorexperte und weist Palais trotzdem gleich mehrfach Geschichten zu, die dieser nie entworfen hat. Hinzu kommen noch Beispielbilder (!), die ebenfalls NICHT von Palais stammen. Herrje, wieso fragt mich denn vorher keiner?!
Die Leute von Yoe-Publications tun das inzwischen…
Volume Three deckt das Jahr 1953 ab und beweist, dass der nun nur noch BLACK CAT genannte Gruseltitel wahrscheinlich Harveys beste Serie ist. Neben wenigen müden Beiträgen brillieren dafür die beiden Starzeichner Bob Powell (mit „My Husband, The Cat“, „Excursion“ und „Colorama“) und Howard Nostrand (mit „Search For Evil“ und „Low Noon“). Schöner Bonus ist ein umfangreiches und spaßiges Vorwort von Comicgröße Stephen R. Bissette, der vergnüglich die Geschichte der Reihe verfolgt und herrliche Code-Zensuren präsentiert.
Mit Volume Four präsentiert man uns die letzten sechs Hefte aus dem Jahr 1954. Wobei anzumerken ist, dass die beiden letzten Ausgaben Nachdrucke alter BLACK CATs aus dem Jahr 1952 sind! Also noch vier originäre Hefte mit Artwork von Powell, Nostrand, Certa und Gastbeiträgen. Erwähnenswert sind „The Lonely“ von Howard Nostrand, „Pest Control“ von Jack Sparling sowie „Moe Gambo“ und „The Old Mill Scream“ von Bob Powell.
American Comics Group – collected works (PS artbooks, seit 2011).
Ich war skeptisch, ob die ACGs was taugen. Horrorpionier Suarez hat über sie abgelästert, und sie sind in der Tat nicht so kunstvoll wie die ECs, nicht so krank wie die Harveys, nicht so knackig wie das Zeug von Atlas, nicht so elegant wie manches von ACE. Aber das Artwork ist ansprechender als erwartet, und ich habe sie wirklich gern gelesen.
ADVENTURES INTO THE UNKNOWN, Volume One – die ersten fünf Ausgaben der Jahre 1948/49. Diese Serie ist der erste fortlaufende Horrorcomic seiner Tage und bleibt 33 Nummern lang ein 52-Seiten-Heft! Deshalb werden die AITU in Fünferbänden gesammelt. Erwähnenswerte Künstler: King Ward, Edvard Moritz, Leonard Starr. Enthält Al Feldsteins Horrormär „Creekmore Curse“, erschienen VOR seinen Zeiten als Chefredakteur der EC-Gruselserien.
Mit Volume Two laufen wir ins Jahr 1950 ein. Weiterhin brave Gruselware im Stil der späten 40er Jahre. Hauptkünstler sind Jon Blummer, Charles Sultan sowie der merkwürdige Kuhaugen-Maler Robert S. Pious. Muss man nicht gelesen haben, aber ACG ist der Horror-Pionierverlag und gibt sich Mühe. Dafür haben sie meinen vollen Respekt.
Volume Three schließt das Jahr 1950 ab. Erfreuliche Feststellung: Die AITU wirken inzwischen ein wenig peppiger und frischer. Auch die steifen Gurkenmaler Wilhelms und Pious gehören nicht mehr zum Aufgebot. Zeichnerische Akzente setzt in diesem Band der ACG-„romance artist“ Ogden Whitney.
Volume Four präsentiert das erste Halbjahr 1951 und glänzt nicht nur mit tollen Titelbildern von Ogden Whitney, sondern bleibt auch inhaltlich einigermaßen unterhaltsam. Zeichnerisch setzen Lin Streeter und Emil Gershwin die Highlights.
Volume Five schließt das Jahr 1951, fällt aber leider in alte Muster (und alten Look) zurück! Die bemüht literarischen Geschichten reizen nur selten zum Lachen, es herrscht schlimmes business-as-usual bei ACG.
Dieser Verlag braucht eine grafische Frischzellenkur. Im Aufgebot nach wie vor Edvard Moritz, Charles Sultan, Lin Streeter, King Ward, Al Camy – und selbst George Wilhelms bleibt uns weiter erhalten…
FORBIDDEN WORLDS, Volume One – die ersten fünf Ausgaben der Jahre 1951/52. FW beginnt ebenfalls als 52-Seiten-Heft und präsentiert die spaßigeren, flotteren, dämlicheren Stories mit erfrischend variablem Artwork solcher Zeichner wie Al Williamson, Lin Streeter, Al Camy und (ganz groß, wie ich finde) Emil Gershwin. Leider nur zwei Geschichten von ihm, wird aber später weiter bei ACG auftauchen.
Mit Volume Two beenden wir das Jahr 1952 und erleben leider eine Enttäuschung. FW verliert den eigenen Touch der ersten Hefte und landet im ACG-Mittelmaß. Die interessanten Geschichten lassen sich an einer Hand abzählen. Grafische Akzente setzen nur die Beiträge von King Ward und Jon Blummer.
Und es heißt kurioserweise „Kommando zurück“ in Volume Three und den Heften des ersten Halbjahres 1953. Die Geschichten sind wieder flotter, unterhaltsamer, oft ein wenig spinnert – und das Artwork „jung“ wie selten bei ACG. An interessanten Künstlern präsentieren sich Charles Nicholas, Jon Blummer, King Ward und Art Gates. Harry Lazarus steigt bei ACG HORROR ein.
Volume Four schließt das Jahr 1953 ab und hält im Großen und Ganzen das Niveau von Band Drei. Cooler Künstlermix der Stile von Charles Nicholas, Jon Blummer, Bob McCarty, Harry Lazarus und versprengter anderer. Einige Perlen verdienen Namensnennung: „The Ant Master“ von Dick Beck, „Nightmare For Two“ von Charles Nicholas oder „Love Me Forever!“ und „Hallahan’s Head“ von Ken Landau. Ziemlich schmissig!
Volume Five führt uns durchs erste Halbjahr 1954 und präsentiert uns die „rejects“ des Charlton-Verlags: Bob Forgione und Sheldon Moldoff. Das Artwork ist größtenteils so struppig wie diese beiden Zeichner, am Zeichenbrett werkeln weiterhin Charles Nicholas und Ken Landau. Ähnlich uninspiriert sind leider die Geschichten, die wenig echten Horror bieten und sich auf Varianten bekannter Plots verlassen. Seltsam, dass bei ACG die Qualität von Jahr zu Jahr und zwischen den Titeln hin- und herpendelt: Man kann ein gutes Heft erwischen, aber oft ist es mediokre Grütze.
Volume Six beinhaltet nur noch zwei Precode-Hefte, die nächsten fünf Ausgaben sind bereits „code-approved comic books“ aus dem Jahr 1955. Die Geschichten verlegen sich auf Mystery und Science Fiction, neue Zeichner kommen an Bord (Ogden Whitney, John Rosenberger, Kurt Schaffenberger), nur Harry Lazarus bleibt – jetzt mit glatterem Stil – erhalten.
OUT OF THE NIGHT, Volume One – die ersten sechs Ausgaben der dritten Horrorserie von ACG, veröffentlicht im Jahre 1952.OOTN präsentiert tolle Titelbilder, aber die Geschichten kommen leider oft gestelzt und ohne jede Ironie daher. Bis jetzt die schwächste der drei Serien. Starzeichner Al Williamson ist nur dreimal vertreten, der Rest wird aufgefüllt von Veteranen wie George Wilhelms und Charles Sultan. Hinzu stoßen frische Kräfte wie Harry Lazarus, Pete Riss und der eigenartige Milt Knoff.
Volume Two schließt das Jahr 1953 ab und bietet gefühlte 20 Variationen der beiden ACG-Standardplots „All-American Liebespaar bekämpft das Böse“ bzw. „Ermordeter kehrt als rächender Geist zurück“. Lässt sich aber locker runterlesen und hat ab und zu auch seinen Charme. Drolligerweise tauchen neben den Stammkräften Harry Lazarus und Edvard Moritz auch der allgegenwärtige Charles Nicholas sowie gefeuerte Künstler anderer Verlage auf (Bob Forgione von Charlton und Bob McCarthy und Sheldon Moldoff von Fawcett)!
Volume Three präsentiert die letzten fünf Hefte (erschienen März – November 1954). Hat mir bei der Lektüre recht gut gefallen. Am Ende zieht ACG die Schraube ein wenig an – und serviert auch mal deftigere Geschichten. Durch die Bank solides Artwork von Bob McCarthy, Bob Forgione, Ken Landau – und mehrere Werke von Lin Streeter. In der Schlussausgabe findet sich die kuriose Geschichte „The Professor and the Pixie!“. Der unbekannte Zeichner hat hier ganz bewusst bildliche Zitate aus Pre-Code-Horrorcomics versteckt! Hochinteressant, muss ich irgendwann mal vorführen…
SKELETON HAND, Gesamtausgabe – alle sechs Ausgaben von ACGs Horror-„Nesthäkchen“. Diese vierte Serie unterscheidet sich inhaltlich nicht von den anderen dreien. Auch das Artwork ist durchschnittlich, geleistet von den Zeichnern, die wir in den anderen Heften finden. Nichts Spektakuläres, aber auch nichts Ärgerliches.
Als hochinteressanten Bonus jedoch gibt es die einmalige Ausgabe von THE CLUTCHING HAND (hier versuchte sich der Verlag im Sommer 1954 an Horror der härteren Gangart). ACG fühlte sich offenbar genötigt, dem Plebs auch mal derbere Ware vorzusetzen (das Ergebnis wirkt gewollt auf Schock gebürstet). Deshalb ist dieses Heft ein aufschlussreiches Ausstellungsstück im Museum der Pre-Code Horrorcomics.
Und noch eins zum Schluss: Ich bin einfach verrückt nach solchen „Handbüchern“. Stabil gebunden, toll zum Blättern, sehen noch dazu schick aus und sind schlicht unverzichtbar für jeden „art spotter“. Tolle Referenzwerke, um Stile abzugleichen und nach Künstlern zu forschen.
So schwierig es ist, den Überblick über die Publikationen von PS Artbooks zu behalten, so habe ich jetzt doch im Netz die Katalogseite gefunden, die ihn uns verschafft – den Überblick!
The Chilling Archives Of Horror Comics – Bob Powell’s Terror (Yoe Books / IDW Publishing, 2011).
Auf 150 Seiten versammelt Craig Yoe Horrorklassiker von Bob Powell. Prächtiger Hardcoverband mit hübscher biografischer Einführung. Mit diesem Band dürfte endlich klar sein: Powell gehört zu den ganz Großen.
Gleichauf mit den Meistern von EC präsentiert sich ein Schaffen, das den Betrachter beinahe ehrfürchtig staunen lässt. Von fantastischer Schönheit sind einige Seiten, die von Powell’s Originalblättern reproduziert wurden. Künstler wie er definieren in den 50er Jahren, was grafische Kunst bedeutet. Eine überfällige Hommage.
The Chilling Archives Of Horror Comics – Zombies (Yoe Books / IDW Publishing, 2012).
Und gleich der nächste Anthologie-Streich von Craig Yoe, diesmal mit herausgegeben von Blogger “Karswell“ alias Steven Banes. Wieder 150 Seiten Pre-Code-Schätze zum Thema „Wandelnde Tote“. Dem Insider werden einige Geschichten evtl. schon geläufig sein, aber was mir das Herz aufgehen lässt, sind zwei Geschichten, abgedruckt von Originalseiten.
Die sind zwar nur schwarz-weiß, dafür aber gestochen scharf: „The Vault Of Living Death!“ von Vic Donahue und „Live Man’s Funeral“ von Al Eadeh. Sagenhaft, mit welcher Detailliebe diese Comics gestaltet wurden. Schlechte Farbgebung und mieser Druck haben eigentlich jedes Heft der 50er Jahre ruiniert.
The Chilling Archives Of Horror Comics – Jack Cole’s Deadly Horror (Yoe Books / IDW Publishing, 2013).
Und der nächste Streich aus dem Hause Yoe: Wieder auf 150 Seiten versammelt Craig Yoe Horrorklassiker – diesmal aus der Feder von Jack Cole, der für die Quality-Serie WEB OF EVIL zeichnete. Persönliches Geständnis: Ich hab den Band ausgelassen, da ich Jack „Plastic Man“ Coles Gruselgeschichten nicht für sooo gelungen halte. In diesen ersten 10 Ausgaben, in denen er vertreten ist, kommt QUALITY HORROR äußerst textlastig daher. Und Coles Horror-Art „flasht“ mich prinzipiell nicht.
haunted Horror (IDW Publishing, seit 2012).
Herausgeber Craig Yoe hat sich den Blogger Karswell alias Steve Banes („The Horrors Of It All“) ins Boot geholt und wagt ein Zweimonats-Heft mit ausgesuchten Pre-Code-Horrorgeschichten quer durch alle Verlage (mit Ausnahme von Marvel, DC und EC).
Jedes Heft bietet fünf oder sechs Geschichten, ist liebevoll restauriert und auf gutem Papier farbenprächtig gedruckt. Ist mit vier Dollar pro Ausgabe noch dazu preisgünstig – und kann beim Comicfachhändler Ihrer Vertrauens problemlos bestellt werden.
Fachbücher über 50er-Jahre-Horrorcomics:
HORROR COMICS – The Illustrated History (Taylor Publishing, 1991).
Standardwerk von Comicfachmann Mike Benton, der anschließend noch Bücher über Crime Comics, Science Fiction und Superhelden herausbrachte. Zwar „nur“ 140 Seiten stark, aber ein wunderschöner, kenntnisreicher Hardcoverband. Besonderheiten: Das Kapitel „We’ll Burn Your Comics!“ zeigt viele Bilder, die Wertham in „Seduction Of The Innocent“ verwendet.
Plus ein 40 Seiten umfassender „Findex“ aller Horrorcomics bis 1991. Illustriert, kommentiert und mit Hinweisen auf herausragende Zeichner versehen. Ein griffiges Prachtstück. Unverzichtbar allein dieser Checkliste wegen.
ghastly terror! – The horrible story of the horror comics (critical vision by headpress, 1999).
Emsiges, faktensicheres und kenntnisreiches Werk des englischen Warren- und Skywald-Fachmanns Stephen Sennitt. So dankbar ich für jedes Buch bin, das „mein“ Thema behandelt, so hin- und hergerissen bin ich von diesem.
Das Werk ist mit tollen (leider äußerst kleinformatigen) schwarz-weiß-Abbildungen durchzogen, behandelt die 50er Jahre jedoch nur auf 40 Seiten. Und auf diesen verzerrt Sennitt das Bild dieser Jahre, denn er präsentiert ausschließlich die gröbsten Schocker. Und sonst nichts.
So entsteht der Eindruck, die Precode-Horrorcomics seien nichts weiter gewesen als eine monströse Parade von Perversionen. Von den ca. 6.000 damals veröffentlichten Geschichten zitiert der Autor 150 „schwarze Schafe“. Diese Listung hat ihren Reiz, doch macht er damit die Ausnahmen zum Regelfall.
Meiner Beobachtung nach sind 50% aller Geschichten belanglos und uninteressant. Die anderen 50% verteilen sich in etwa so, wie ich es auf der LESEWIESE mit meinen Kategorien Good / Bad / Ugly / Crazy unterteile. Also kann sich jeder ausrechnen, welchen Anteil die derben Geschichten einnehmen. „Do the math!“, wie der Amerikaner sagt…
The Horror Comics – Fiends, Freaks and Fantastic Creatures, 1940s -1980s (McFarland & Company, 2014)
Obwohl Autor William Schoell angibt, tausende Heftchen gelesen zu haben und eine historische wie kritische Sicht auf das Genre bieten zu wollen, bleibt dieses Fachbuch an der Oberfläche wie sonst keines. Auf 270 Seiten (120 davon der Precode-Ära gewidmet) erzählt uns Schoell, was er gelesen hat – und sonst nicht viel mehr! Nach Verlagen geordnet, erfahren wir, wer was veröffentlich hat – und dann pickt sich der Autor stichprobenartig Hefte heraus und beschreibt, was drin vorkommt. Der „kritische“ Aspekt dieses Werks beschränkt sich darauf, welche Geschichte unserem Leser gefallen haben und welche er geschmacklos fand.
„The Horror Comics“ sind ein rätselhaftes und enttäuschendes Werk. Man fragt sich, was der Sinn dieses Unterfangens sein soll. Schoells Bemerkungen zu Precode-Comics sind (mit Verlaub) für den Arsch: nutzlos, fehlerhaft, ohne Überblick. Einziger Gewinn seines Buches ist der Teil über die Horrorhefte des Silver und Bronze Age: All die austauschbaren Comicserien von DC, Marvel und Charlton beschreibt er mit hartnäckiger Akkuratesse. Als Einführung zu diesen Heften mag Schoells Werk taugen (da ich diese aber überhaupt nicht kenne, kann ich dies auch nur hoffen…).
FOUR-COLOR FEAR (Fantagraphics, 2010).
Nicht billig (30 Dollar), aber ein prächtiger Band und sein Geld auf jeden Fall wert. Aufwendige Farbrepros, Hochglanz-Cover-Galerie, kundige Kommentare von EC-Fachmann und Comic-Historiker John Benson. Manche der Geschichten sind bereits früher in Schwarz-Weiß nachgedruckt worden, aber dieses Werk erschlägt einen durch herrliche Vielfalt.
Auf satten 300 Seiten wird die EC-Konkurrenz beleuchtet. Alle Zeichner-Lieblinge sind drin versammelt, der perfekte Einstieg in die Welt der 50er Jahre Horrorcomics. Die ausgewählten Geschichten (40 an der Zahl) sind meiner Meinung nach nicht die stärksten, aber es gibt auf dem Markt nichts Vergleichbares.
THE HORROR! THE HORROR! Comic Books the Government didn’t want you to read (Abrams Books, 2010).
Hab ich gerade gesagt “nichts Vergleichbares”? Zeitgleich erscheint in den USA dieses ebenfalls prächtige, ebenfalls 30 Dollar teure und ebenfalls 300 Seiten starke Kompendium zu Pre-Code-Horrorcomics. Hier sind allerdings „nur“ 16 Geschichten abgedruckt – die aber halte ich für qualitativ besser als jene im „Vergleichsband“ FOUR-COLOR FEAR.
Der Rest sind üppige Cover-Galleries und kurze Artikel des Herausgebers Jim Trombetta zu Themen der Pre-Code-Ära: Abgrenzungen, Einflüsse und Überschneidungen zu und mit den verwandten Genres Science Fiction, Crime und Krieg zum Beispiel. Auch wartet Trombetta mit vergnüglichen freudianischen Betrachtungen zur sexuellen Symbolik der Horrortitelbilder auf: Gerade die fleischlosesten aller Monster, die Skelette nämlich, scheinen die sexuell aktivsten Wesen zu sein. Immer wieder fummeln besonders Skelette an Frauen (die meist in roten Kleidern!) herum. Achten Sie mal drauf.
Auch verdanken wir ihm die Erkenntnis, dass das berüchtigte „Bullett-in-the-head“-Cover (HORRIFIC Nr. 3) von Don Heck kein eigenständiges Titelmotiv ist, sondern nur das vergrößerte Detail eines toten Soldaten auf dem Cover von WAR FURY Nr. 1 (ebenfalls Don Heck), erschienen vier Monate vorher…
Als „Bonustrack“ liegt diesem Buch eine DVD bei. Diese scheint nicht regional codiert zu sein, sie ist auf meinem Computer anstandslos gelaufen. „Confidential File“ mit Paul Coates präsentiert unter anderem Senator Estes Kefauver, der in die Kamera bestätigt, dass Comics Jugendliche zu Gewalttaten anregen. Immerhin spricht er sich gegen Zensur aus und würdigt die Arbeit der Comics Code Authority.
Ich wundere mich nur, dass dieser Report (ausgestrahlt im Oktober 1955) noch Brisanz beanspruchen kann. Im März 1955 veröffentlichten die Verlage EC, ACE, Atlas und Trojan ihre letzten Gruselhefte, die andern hatten bereits vorher aufgegeben, der Comics Code war also längst installiert. Die in der Sendung vorgeführten Comics sind definitiv Vergangenheit und auf dem Markt nicht mehr präsent… Es ging offenbar darum, Restbestände aus dem Verkehr zu ziehen und heimische Sammlungen als „gefährlich“ zu brandmarken. Eine durchaus nachhaltige Offensive gegen diesen „Dreck“.
O-Ton Coates: „This comic book describes sexual aberrations so shocking that I couldn’t even mention the scientific term on television” – Schade, dass er nicht sagt, welches Heft und welche Perversion das gewesen sein sollen…
Im Bild zu sehen sind viele Kinder mit Originalcomicheften, da bleibt dem Sammler fast das Herz stehen. Erwähnt wird auch der Reed-Crandall-Klassiker „The Corpse Who Came To Dinner“. Soll wohl schockierend wirken, dabei klingt die Überschrift schon recht ironisch, wie ich finde. Nach der Lektüre der Horrorhefte übrigens fällt die Kinderbande über einen kleinen Jungen her und foltert ihn. Ach komm, das haben wir doch alle gemacht als wir klein waren!
Fazit: THE HORROR! THE HORROR! ist unbedingt empfehlenswert.
David Hajdu: THE TEN-CENT PLAGUE. The Great Comic Book Scare and How It Changed America (Picador, 2008).
Kein Roman, sondern ein handfestes Sachbuch. Autor Hajdu hat jahrelang recherchiert und präsentiert eine brillant geschriebene Geschichte der Anti-Comic-Propaganda. Von ersten Anfeindungen schon im 19. Jahrhundert über die Empörung über den Verfall der Kultur angesichts der boomenden Zeitungscomics um 1910 herum bis hin zu den hysterischen Hexenjagden der frühen 50er Jahre.
Mit Lust und Elan beschreibt Hajdu Aufstieg und Fall des US-Comicheftes, den Durchmarsch der diversen Moden (Superhelden, Crime, Romance, Horror) und den Furor der Zensoren ab 1955. Das Ganze wird unterfüttert mit soliden Zahlen und etlichen Beispielen aus der damaligen Presse.
Auch wenn Bekanntes wiederholt ausgebreitet wird (Bill Gaines vor dem Untersuchungsausschuss), erschrickt der Leser doch über die Selbstverständlichkeit katholischer Indizierungsbestrebungen sowie über die Masse von Comicverbrennungs-Aktionen. So kompakt und kenntnisreich ist dies dunkle Kapitel amerikanischer Paranoia nie zuvor abgehandelt worden. Für Fachleute äußerst lesenswert!
Max Allan Collins: Seduction of the Innocent (Titan Books, 2013).
Kein Sachbuch, sondern ein handfester Kriminalroman. Ironischerweise betitelt wie Dr. Fredric Werthams Buch von 1954, welches Comichefte zu „Schmutz und Schund“ stempelte (dies besprechen wir HIER).
Collins hat sich in die Materie hineingelesen und präsentiert auf 250 Seiten ein akkurates Bild von New York im Sommer 1954 und seiner dort ansässigen Comicindustrie. Dort begleiten wir Jack Starr (Vizepräsident eines Comicvertriebs und Privatdetektiv) zu seinen Treffen mit Schlüsselfiguren der Szene: Bill Gaines, Al Feldstein und Al Williamson von EC, Charles Biro und Bob Wood von Lev Gleason Publishing sowie ihren Gegenspielern Dr. Wertham, Senator Kefauver und Gershon Legman.
Was als flotte Doku-Fiktion beginnt, kippt ab Seite 130 endgültig ins Fiktionale, denn ab da heißt es: „Wer tötete Dr. Wertham“? Der populäre Psychiater wird erhängt aufgefunden, und Jack Starr hat nahezu freie Auswahl an motivbeladenen Verdächtigen aus dem Comicbusiness.
Die Krimihandlung plätschert betont sachlich dahin. Collins schreibt nicht auf Effekt, sondern porträtiert mit verhaltener Ironie. Schnellurteil: Dieses Taschenbuch ist kein Reißer, als Krimi sogar uninteressant, aber lässt gekonnt und detailreich die Figuren und Geschehnisse dieser hysterischen Periode lebendig werden.
Auf dem Blog „Too Busy Thinking About My Comics“ finden Sie einige hübsche Illustrationen sowie ein Interview mit dem Autor!
Foul Play – The Art And Artists Of The Notorious 1950s E.C. Comics (Harper Design, 2005).
Prächtig aufgemachtes Buch, das auf 270 Seiten die Zeichner näher beleuchtet. Dazu gibt es je einen farbigen Reprint in Originalheftgröße. Kurtzman ist mit „Corpse on the Imjin“ vertreten, Graham Ingels mit „Horror we? How’s Bayou?“, Jack Davis mit „Foul Play“ usw. Also Klassiker, die aber meist schon anderswo nachgedruckt worden sind. Zückerchen ist eine bislang unveröffentlichte Picto-Fiction-Story von Al Williamson („Wanted for murder“, in Schwarz-Weiß). Der Haken am Werk: EC-Neulinge erfreuen sich an der Mixtur der Stile und Geschichten, dürften sich allerdings wenig für die Künstler interessieren. EC-Fachleute hingegen finden wenig Neues und entdecken kaum mehr als aufgemotzte Künstlerbiographien.
Tales of Terror. The EC Companion (Gemstone Publishing & Fantagraphics Books, 2000).
Die Bibel für jeden EC-Fan-Addict. Auf fast 300 Seiten finden sich Interviews, Anekdoten, Biografien, Fundstücke, Nachdrucklisten – und vor allem harte Fakten: Verzeichnis sämtlicher EC-Titel mit Coverfoto, Geschichtenindex, Autoren- und Zeichner-Credits sowie Veröffentlichungsdaten.
Hier bleibt kein Wunsch offen. Schwer zu bekommen, habe mein ramponiertes Exemplar selber mal per Zufall und Ebay aus USA ergattert. Ist auch als Taschenbuch erschienen, Amazon führt hier Restexemplare zu Sammlerpreisen…
Comic Book Marketplace Nr. 112
2004 erschienenes US-Fachmagazin mit Schwerpunkt EC-Konkurrenz der 50er Jahre. Lohnt sich jedoch nicht sonderlich. Erwähnenswert sind eine 20-seitige „cover gallery“ mit fast DinA-4-großen Farbrepros einiger Klassiker der Reihen TOMB OF TERROR / BLACK CAT / CHAMBER OF CHILLS / HORRIFIC sowie eine interessante Empfehlung für die DC-Serie WEIRD MYSTERY TALES (1972-1975).
ALTER EGO Nr. 97
Die im Oktober 2010 erschienene Ausgabe des Comicfachmagazins ALTER EGO widmet sich schwerpunktmäßig dem Thema „Horror Comics of the fearful 1950s“. Der Autor (Lawrence Watt-Evans) präsentiert einen ausgezeichneten Artikel zur Chronologie der Pre-Code-Horrorhefte. Reich bebildert (nicht nur Titelbilder, sondern auch Splash-Pages!) und mit Anmerkungen zum Stil der Verlage versehen. Die beste mir bekannte Abhandlung zum Thema.
Digitale Fundgruben für 50er-Jahre-Horrorcomics:
„Digital Comic Museum“ (DCM). (www.digitalcomicmuseum.com)
Da trifft einen der Schlag. Tausende Comics der 40er und 50er Jahre liegen hier als downloadbare (legale!) Scans vor. Eine wackere Truppe von Comic-Historikern stellt täglich neue Werke ins Netz. Zum Glück hat meine Festplatte noch einige Gigabytes freien Speicher. Nachdem ich mir die ersten 100 Horrorhefte runtergeladen hatte, habe ich ihnen 50 Dollar gespendet (per Button „donate“ öffnet sich ein PayPal-Formular)…
Obacht: Nicht auf diesen Seiten zu finden sind Magazine der Verlage DC, EC und Marvel (alias „Atlas“ in den 50ern). Dieses Material gilt (noch) nicht als „public domain“, das heißt ist nicht lizenzfrei und der Öffentlichkeit daher nicht unentgeltlich zugänglich. Da haben noch aktive Verlage oder Erbengemeinschaften ihren Finger drauf. Ist zwar schade, aber zumindest das Oeuvre von EC liegt ja komplett reproduziert vor. Und wer will schon die 399 Horrorhefte lesen (Zählung Suarez), die Atlas in der Pre-Code-Ära veröffentlicht hat?!
Hinweise zur Handhabung der DCM-Dateien
Die Downloads liegen in den Formaten „cbz“, „cbr“ oder „rar“ vor. Das DCM gibt auf dieser Seite Empfehlungen, mit welcher Software die Hefte am besten zu lesen sind. Mit meinem Windows-7-Notebook bin ich nun sehr zufrieden mit „CDisplay“ – dies ist eine Spezialsoftware zum Betrachten von Comic-Scans. Die knackt alle Formate und lädt wunderbar schnell und einfach ohne jeden Schnickschnack. Wer sich mit Gucken begnügen kann: Über den Button „Preview“ lassen sich (fast alle) Hefte am Bildschirm anmeldefrei öffnen und großformatig zum Testen durchblättern. Auch nicht zu verachten!
Und hier geht es mit direktem Klick zum DCM!
BLOGS
Neben dem digitalen Comic-Museum gibt es noch einige erwähnenswerte Blogger, die regelmäßig Scans aus 50er-Jahre-Comicheften ins Netz stellen. Hier finden sich auch Geschichten, die das DCM nicht zu bieten hat! Beim Klicken auf die einzelnen Seiten vergrößern sich diese auf ein lesbares Maß. Mit dem Zurück-Button springt man in die Generalansicht zurück. Eine feine Ergänzung und Vertiefung sind folgende Blogs:
The Fabulous Fifties:
Der niederländische Comicfachmann Ger Apeldoorn postet seit Jahresbeginn 2008 täglich (!) Fundstücke aus den 50er Jahren. Das sind zwar nur selten Horrorgeschichten, aber ein Stöbern lohnt sich auf alle Fälle.
http://allthingsger.blogspot.com
Four-color shadows:
Das Gleiche gilt für diesen Blog von „booksteve“, der exquisite Raritäten der 40er bis 60er Jahre postet.
http://fourcolorshadows.blogspot.com
The Bloody Pulp – A Blog Celebrating The Miasma Of Eerie Publications:
„Mykal“ nennt sich der Blogger, der schwarz-weiße Geschichten aus den 60er-Jahre-Magazinen des Verlags “Eerie Publications” veröffentlicht. Das liegt zwar abseits unseres Pre-Code-Fachgebietes, ist aber insofern hochinteressant, da hier alte 50er-Geschichten nachgedruckt, retuschiert oder gar komplett umgezeichnet worden sind! Der Kopf hinter dieser Operation war der ehemalige Atlas-Zeichner Myron Fass. In den spätern 60er Jahren überschwemmte er den Markt mit Retuschen bzw. Neuinterpretationen von pre-code-Horrorgeschichten, deren Verlage nicht mehr existent waren.
Im Internet findet sich eine Listung, die penibel über 700 Stories (meist der Verlage Ajax-Farrell und Harvey, aber auch einige von Ace, Quality, Comic Media, Story und Gillmor) nachweist. Am Rande der Legalität (oder eher fernab derselben) erblickten wüst gestaltete und zusammengeschusterte Magazine wie HORROR TALES, WEIRD, TERROR TALES, TALES OF VOODOO und WITCHES TALES (nicht die von Harvey, oder vielmehr innendrin doch!) das Licht der Öffentlichkeit. Spezialität dieser Produkte war es, viel Blut spritzen zu lassen und Körper zu zerpflücken. Geschmacklos, aber lohnt einen Blick.
Nachtrag: Leider hat Mykal nach zwei Jahren seinen Blog nicht weitergeführt. Dennoch ist der Link aktiv und erlaubt Zugriff auf ein Archiv von über 150 kompletten Geschichten!
Und hier kommt der Blog of Blogs…
The Horrors Of It All:
Schon eine Institution ist Karswells THOIA. Seit Juli 2007 präsentiert Karswell fast täglich ausgewählte Perlen von pre-code-Horrorstories. Ein Fest für den Liebhaber.