Der Verlag, der mit seinen Mega-Sellern SUPERMAN und BATMAN das Medium Comicheft ans Laufen brachte, wählt die zurückhaltende und „familientaugliche“ Herangehensweise an die Comictrends der 40er Jahre. Als „crime comics“ wilde Blüten treiben und dutzendweise ins Kraut schießen, bedient DC den Markt mit den drei dezenten Titeln BIG TOWN, GANG BUSTERS und MR. DISTRICT ATTORNEY (übrigens alles adaptierte Radio-Formate).
Ähnlich schüchtern nähert man sich dem Horror-Boom. Eigentlich hält man sich raus aus dem ekligen Gruselgeschäft. Man macht ein Angebot, das in die Richtung zielt… und vermeidet tunlichst die Begriffe „Horror“ und „Terror“. Programmatisch ist von „Mystery“ die Rede.
SENSATION MYSTERY
PHANTOM STRANGER
Diese drei Titel kann man unter DC HORROR subsumieren, wobei manche Comichistoriker die Reihe PHANTOM STRANGER nicht gelten lassen bzw. DC-Produkte komplett aus dem Kanon ausschließen!
Das liegt daran, dass die Geschichten in diesen immerhin 51 Heften der Precode-Zeit fast immer mit einer logischen Erklärung aufwarten.
Es sind Fake-Horror-Stories!
Sie beginnen wie übliche Gruselgeschichten, kippen zum Schluss jedoch in eine lachhaft konstruierte Auflösung – die zudem oft jeglicher Logik entbehrt. Ich habe dieses in der Tat traurige und zermürbende Erzählmuster den „DC ratio-twist“ getauft.
Beispiel: Der körperlose Schatten eines Mordopfers verfolgt den Täter und treibt diesen in den verdienten Tod. Dahinter steckte aber die Polizei, die den Verdächtigen die ganze Zeit überwacht hat und mit Schatten-Projektionen nervös machen wollte!
Ich vermute, dass Autoren, die tagsüber Hefte mit grotesken Superhelden-Stories füllen müssen, dann nächstens ähnlich irre Konstrukte auf das Horrorgenre anwenden. DC HORROR ist ein von Betriebsblinden verschuldeter Unfall, von dem ich als Comicforscher den Blick nicht wenden kann (vor Abscheu gleichermaßen wir vor Bewunderung für einen kranken Geist bei der Arbeit).
Lustigerweise enthalten die sechs (von der Horrorforschung ignorierten) Ausgaben von PHANTOM STRANGER noch die fantastischsten und übernatürlichsten Geschichten von DC HORROR:
Die Figur des Phantom Stranger, die hier aus der Taufe gehoben wird, gehört seitdem zum festen Personal des DC Universums und taucht durch die Jahrzehnte immer wieder auf (sogar in Neil Gaimans BOOKS OF MAGIC).
Der Phantom Stranger ist eine Art Gott, ein aus dem Nichts auftauchender Fremder, der Menschen in Not assistiert. Ungewöhnlich für die Welt der Comics ist, dass diese Figur nie mit einem Namen oder einer Ursprungslegende belegt wird. Spekulationen halten ihn wahlweise für einen Kollegen des „Spectre“, einen freiberuflichen Erzengel oder gar den „Ewigen Juden“.
Die Covergestaltung bei DC HORROR ist fad. Ich möchte es auf diese drei Buchstaben reduzieren: Fad. Öd. Ha, sogar runter auf zwei… Am besten gefallen mir die von PHANTOM STRANGER.
Ebenfalls unspektakulär ist das Artwork im Innenteil der Hefte.
Nichts, wofür ich Feuer fange. Der gigantische Alex Toth hat drei (in mickrigen Zahlen: 3!)
Geschichten illustriert. Die unerreichten Highlights. Und die erscheinen nicht mal in den oben gelisteten Heften, sondern in den SENSATION COMICS Nr. 107-109 (danach wurde das Heft in SENSATION MYSTERY umbenannt). So, hab‘ ich die Info auch noch elegant untergebracht…
Der Rest köchelt in einem DC „house style“ daher, der keineswegs miserabel ist, aber jedes visuelle Experiment scheut und vermissen lässt.
Grafische Hausmannskost von Curt Swan, Leonard Starr und Ruben Moreira. Ab und zu können Zeichner wie Carmine Infantino, Murphy Anderson, Bill Ely oder Ed Smalle dem DC-Eintopf ein bisschen Würze verleihen durch den Einsatz ihrer organischeren Stilismen.
Eine Besonderheit muss allerdings herausgestellt werden: DC erzählt überraschend oft in der ersten Person. Über ein Drittel aller Geschichten wird in der Ich-Form vorgetragen!
DC HORROR verzichtet auf wiederkehrende Hosts und Erzählerfiguren, aber dies ist ihre Form des „hostings“. Die Hauptperson verrät uns ihre fantastischen Erlebnisse (“I Was a Sorcerer’s Apprentice!”). Das bezieht den Leser einerseits zwar schön in die Handlung ein, doch andererseits ist damit vorab klar, dass wir keinen Horror erleben werden.
Denn es gilt: Dead men tell no tales – jedenfalls nicht bei DC…
Ein Fazit und Schnellurteil:
DC HORROR präsentiert Formelgeschichten mit austauschbarem Artwork.
In der Tat vernachlässigbar. Ich hab mir dennoch die Arbeit gemacht und alle gelesen – weil es eben sonst noch niemand unternommen hat! Because I can!
Irrsinnig viele weitere Infos und eine Heft-für-Heft-Besprechung finden sich demnächst auf meiner englischen Vertiefungs-Webseite DC HORROR (auch dort abgehandelt werden die Hefte der Verlage Avon und Quality).