Der Fawcett-Verlag veröffentlichte zwar nur 42 Horrorhefte, die jedoch unter so vielen verschiedenen Titeln, dass es schon fast ärgerlich anmutet.
THIS MAGAZINE IS HAUNTED
WORLDS BEYOND, sofort umbenannt in WORLDS OF FEAR
UNKNOWN WORLD, sofort umbenannt in STRANGE STORIES FROM ANOTHER WORLD
BEWARE! TERROR TALES
STRANGE SUSPENSE STORIES
Worlds of WHAT? Stories from WHERE? Hilfääää! Nur die Klon-Könige von Atlas/Marvel produzierten mehr fortlaufende Serien.
Viele Geschäftsvorgänge der 50er Jahre liegen im Dunkel der Comicgeschichte, aber die Entstehung von FAWCETT HORROR ist durch spannende Anekdoten überliefert. Denn verantwortlich für einen großen Schub im Pre-Code-Horror ist ein unbekannter Zeichner: Sheldon Moldoff.
Dieser äußerst mittelmäßige Künstler zeichnete von 1947-49 die Serie MOON GIRL (eine „Wonder Woman“-Kopie) – und zwar für den Verlag EC. Dort will er 1948 dem Herausgeber Bill Gaines den Prototypen eines Horrorheftes vorgestellt haben. Gaines jedoch hält Moldoff mit Versprechungen und Vorverträgen hin (er gibt ab 1950 seine berühmten drei Gruselserien selber heraus) und feuert Moldoff kurzerhand. Der geschasste Möchtegern-Redakteur kommt bei Fawcett unter und beginnt dort mit THIS MAGAZINE IS HAUNTED.
Moldoff wurde bei EC offenbar nach allen Regeln der anwaltlichen Kunst verschaukelt, ausgebootet und über Bord gestoßen. Ein Trost für ihn mag gewesen sein, dass er dann bei Fawcett zwei Jahre lang schalten und walten darf. Zum Jahresende 1953 allerdings verabschiedet sich der Verlag komplett aus dem Comicgeschäft, und die jungen Entrepreneure von Charlton Comics übernehmen die Bestände. Tragische Konsequenz: Moldoff wird über den Winter aus dem Verlag gedrängt.
Wie gestaltet sich nun FAWCETT HORROR?
Die Cover sind ziemliche Grütze, wie ich finde. Betonen seltsame Bildausschnitte, wirken billig und schmierig, präsentieren selten eine griffige Idee, und Eleganz verströmen sie schon gar nicht. Große Ausnahme sind hier die sechs Titelseiten, für die sie den Illustrator Norman Saunders eingekauft haben (die sind Weltklasse und gehören zu den schönsten ihrer Zeit!). Comics für den Innenteil hat er allerdings nicht gezeichnet.
Fawcett-Cover haben jedoch einen speziellen metallischen Glanzeffekt. Das macht sich jedoch nur bemerkbar, wenn man ein Originalheft in Händen hält und dieses leicht gegen das Licht kippt. Wohlgemerkt nicht auf denen, die Norman Saunders gemalt hat, aber alle anderen Cover beherbergen zarte Effekte.
Wunderschön zum Beispiel auf dem Titelbild von BEWARE! TERROR TALES Nr. 8 (dem Heft mit dem Kochtopf und den Hexen!). Der Sud quillt herrlich orange-rot aus dem übervollen Hexenkessel.
Auch im Innenteil sind Fawcetts Horrorhefte… naja… gewöhnungsbedürftig. Es fehlt ihnen ein Star. Gut, sie haben George Evans und Bob Powell. Aber Evans wechselt zu EC und Powell dient mehr als zeichnerisches Feigenblatt. Denn die Stammzeichner werkeln in einer penetranten Einfallslosigkeit daher, die einen kirre machen kann: Bernard Baily? Sheldon Moldoff? Ed Waldman? Bob McCarty?
Keine Künstler, für die man Feuer fängt. Und dann holen sie auch noch aushilfsweise die Schnarchnase Maurice Gutwirth ins Boot, wo sie doch Bud Thompson viel besser hätten einsetzen können… Ruhig, Grauer.
Wobei ich McCarty doch ausnehmen möchte. Er ist zwar nur die B-Version von George Evans, aber noch der bildgestalterisch kreativste im Team.
FAWCETT HORROR also sieht oft grottig aus, bietet aber interessante Geschichten. Quasi die Verkehrung der Situation bei STANDARD HORROR (siehe dort). Auch wenn es Überwindung kosten mag, lesen Sie bitte ein paar Geschichten. Sie werden Ihren Pre-Code-Horizont erweitern!
Denn Fawcett ist ein Ideenhaus. Nicht umsonst haben sie mit ihrem CAPTAIN MARVEL der allmächtigen DC-Konkurrenz von SUPERMAN und BATMAN den Rang abgelaufen (und sind dafür verklagt worden, andere Geschichte…).
Einige der abgefahrensten und durchgeknalltesten Stories finden Sie in diesen Heften: Killerperücken, Zombiezähne, Monsterwürmer und Bob Powells surreale Phantasie „Wall Of Flesh“ entstammt diesen Serien. Ansonsten hatten die Autoren ein Faible für das Jenseits, die Unterwelt, fremdartige Räume und parallele Dimensionen (und dafür nix mit Werwölfen oder Vampiren).
Besonderheit bei FAWCETT HORROR sind die langen Geschichten. Pro Heft finden sich drei 10-Seiter (jedenfalls bis 1953, dann schwenken sie um auf die üblichen vier Geschichten). Die Leser wussten ihnen die literarische Ambition nicht zu danken, und manchmal schleppten sich diese Mini-Novellen aber auch unschön über die Runden.
Ach so, noch ein Wort zu den Hosts. FAWCETT HORROR bediente sich zweier Erzählerfiguren: Dr. Death und The Mummy. Beides leider austauschbare Chargen, die einem nicht in Erinnerung bleiben. Richtiger Ansatz, aber schwach umgesetzt.
Abschließend noch ein weiterer Dämpfer in der Betrachtung dieser Serien. Sie sind abscheulich koloriert! Lieblos, großflächig und willkürlich haben die Farbgeber diese Werke zugeschmiert. Man kann es nicht anders ausdrücken. Auch das verleiht FAWCETT HORROR diesen generellen Look von Schmierigkeit und Verwahrlosung. Eine Schande!
Auch hier präsentiere ich eine repräsentative Splash-Page, und zwar aus der Feder der tragischen Gallionsfigur – natürlich Sheldon Moldoff.
Sehr gut zu Tage tritt hier weniger die schlamperte Kolorierung, dafür Moldoffs einfallslose Komposition und unbeholfene Füllung des Zeichenblattes. Die Maschine auf der rechten Seite ist eine „Hommage“ an eine Horrorstory von Vic Donahue („Dungeon Of Doom!“ aus dem Harvey-Verlag).
Ich habe Moldoff tatsächlich mehrfach dabei erwischt, dass er Bildmotive aus EC- und Harvey-Comics kopiert – vor allem übrigens von Graham Ingels, dem Zeichner, der seinen Platz bei EC einnahm und zur Ikone des gotischen Grusels im Horrorcomic wurde.
Wer mehr wissen möchte, ist herzlich eingeladen, meine englische Webseite FAWCETT HORROR (dort abgehandelt werden auch die „Nachfolger“ vom CHARLTON-Verlag) zu studieren. Auf jeden Fall empfehle ich den Blick auf meine Auswahl von Fawcett-Horrorgeschichten (bunt gemischt), die ich ebendort unter dem Menüpunkt „Stories“ präsentiere.
PS: Sheldon Moldoff übrigens überlebte seine Horrorpleiten und zeichnete anschließend 15 Jahre lang an BATMAN mit, wo er die Superschurkin „Poison Ivy“ erfand. Er verstarb 2012 im Alter von 91 Jahren.
PPS: Sheldon Moldoff übrigens soll sich 1992 schriftlich bei Horrorforscher George Suarez beschwert haben, dass er ihn nicht als Gründer der Serie THIS MAGAZINE IS HAUNTED erwähnt habe.
Komm bloß nicht zu mir, Shelly…